2008. május 17., szombat

938 - Slowakei-Ungarn: Eine Majestätsbeleidigung mit Folgen

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Majestätsbeleidigung mit Folgen

Slowakei-Ungarn: Eine Majestätsbeleidigung mit Folgen

16.05.2008 18:33 Von unserem Korrespondenten CHRISTOPH THANEI (Die Presse)

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/384328/index.do

Rabauke Ján Slota nannte den Heiligen Stephan, Ungarns ehemaligen König, einen „Kasperl auf dem Ross“. Budapest sagte daraufhin ein Treffen der Premiers ab.

BRATISLAVA. Als ob die zwei mitteleuropäischen Nachbarn keine anderen Sorgen hätten: Die Slowakei hat trotz Wirtschaftsboom nach wie vor die höchste Arbeitslosenrate der gesamten EU. Und das einstige Transformationsmusterland Ungarn ächzt wirtschaftlich und innenpolitisch in allen Fugen. Aber statt sich darüber Gedanken zu machen, ob sich für ihre Probleme vielleicht gemeinsame Lösungen finden ließen, streiten sich Spitzenpolitiker beider Länder darüber, wer aus welchem Grund auf den anderen beleidigt sein darf.

Jetzt hat das gegenseitige Sticheln wieder einmal zu einer Besuchsabsage geführt. Ungarns Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány verzichtet auf das geplante Treffen mit seinem slowakischen Amtskollegen Robert Fico. Auch wenn man in Bratislava den Eindruck hat, dass die ungarische Seite nur einen Vorwand für eine Absage des geplanten Treffens gebraucht hat: Geliefert hat den Vorwand schon vor einer Woche bereitwillig der Nationalist Ján Slota.

Der nordslowakische Maulheld lässt seit Jahren keine Gelegenheit aus, um mit deftigen antimagyarischen Sprüchen zum Gaudium seiner trinkfreudigen Anhängerschaft beizutragen.

Schulbuch als Auslöser

Als Chef der mitregierenden Slowakischen Nationalpartei SNS gehört Slota dem Koalitionsrat der drei Regierungsparteien an. Nach einer Sitzung dieses Dreiergremiums hielt Slota ein für den Unterricht in den ungarischen Schulen der Südslowakei vorgesehenes Lehrbuch vor die TV-Kameras, um zu zeigen, wie bedenklich politisierendes Material den dortigen Schülern zugemutet werden soll.

Statt dass die Kinder der ungarischen Minderheit neben ihrer Muttersprache auch ein bisschen Information über die Slowakei als ihrem Heimatstaat bekämen, sei dieses Schulbuch völlig auf Ungarn ausgerichtet. Schon auf den Umschlagbildern seien „nur lauter ungarische Fahnen und dieser Kasperl auf dem Ross“ zu sehen.

Der auf der Titelseite abgebildete „Kasperl auf dem Ross“ ist aber kein Geringerer als der ungarische König, Stephan der Heilige (969 bis 1038). Und damit war im Nachbarland wieder einmal Feuer auf dem Dach: Nach einer mehrtägigen Schrecksekunde wurde der slowakische Botschafter in Budapest ins Außenministerium zitiert. Der slowakische Vizepremier Dusan Caplovic distanzierte sich nicht zum ersten Mal öffentlich von einer Äußerung Slotas und bedauerte die „unglückliche Äußerung eines Koalitionspartners“.

Doch das reichte nicht: Eine Woche nach Slotas Vorstellung erfolgte die offizielle Absage des Gyurcsány-Besuchs, dessen Vorbereitung sich schon bisher wegen früherer bilateraler Verstimmungen überaus mühsam gestaltete. „In nächster Zukunft“ werde es einen solchen Besuch nicht geben, ließ Staatssekretär Gábor Szentiványi wissen.

Vergiftetes Nachbarschaftsklima

Im Gegenzug hat auch die Slowakei den ungarischen Botschafter in Bratislava vorgeladen. Die ungarische Außenministerin Kinga Göncz hatte nämlich im Budapester Parlament die Slota-Partei mit der ungarischen rechtsextremistischen „Ungarischen Garde“ verglichen. Das wiederum wollte man in Bratislava nicht akzeptieren.

Solche gegenseitigen Sticheleien vergiften seit Jahren das ungarisch-slowakische Nachbarschaftsklima. Dies geschieht meist entweder in Wahlkampfzeiten oder wenn eine Partei gerade wieder in ein Popularitätstief geraten ist. Die Zündler kommen zumeist aus der Slota-Partei auf der einen und Oppositionschef Viktor Orbán sowie verschiedene Nationalistengruppen auf der anderen Seite.

Orban hat man in der Slowakei nie verziehen, dass er sich in seiner Regierungszeit bewusst als Repräsentant nicht nur der zehn Millionen ungarischen Staatsbürger, sondern auch der Ungarn in den Nachbarländern bezeichnet hatte. Das passt zum ungarischen Mythos vom „Unrecht von Trianon“, wodurch bestehende Staatsgrenzen in Frage gestellt werden. In der Slowakei wiederum stilisieren die Nationalisten die historische Zugehörigkeit ihres Landes zum Königreich Ungarn zur „1000-jährigen Unterdrückung“ hoch.

Fico punktet mit Nationalismus

Gegenwärtig ist vor allem in Ungarn eine Radikalisierung zu beobachten. Die Slowakei hat Ungarn nämlich in vielen ökonomischen Kennziffern überholt: Sie hat das höchste Wirtschaftswachstum der EU und wird 2009 den Euro einführen. Ungarn ist hingegen größter Defizitsünder und weit vom Euro entfernt.

Auch Premier Fico schlägt inzwischen neben seiner gewohnten Antikorruptions- und Anti-Eliten-Rhetorik immer nationalistischere Töne an. Bei den Wählern scheint er damit gut anzukommen, wie traumhafte Umfragewerte belegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2008)