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Betreff: 1.036 - Ungarische Garde: „Wir sind Ungarns Speerspitze"
Ungarische Garde: „Wir sind Ungarns Speerspitze"
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24.07.2008 | 18:02 | Von unserem Korrespondenten PETER BOGNAR (Die Presse)
Reportage.Sie marschieren in schwarzen Uniformen auf, hetzen gegen Roma und das „globale Pack der Liberalen". Die Ungarische Garde will für „Recht und Ordnung" sorgen.
BUDAPEST/SZIKSZÓ. „Gebe uns Gott!", donnert der Hauptmann der Ungarischen Garde, István Dósa, über den Hauptplatz der 3000 Seelengemeinde Szikszó. „Eine bessere Zukunft!", erschallt als Antwort aus rund drei Dutzend Kehlen der stramm in Reih und Glied stehenden Männern. Die Ungarische Garde ist in Szikszó, 200 Kilometer nordöstlich von Budapest, aufmarschiert, um wieder einmal auf die „Zigeunerkriminalität" aufmerksam zu machen und neue Mitglieder zu rekrutieren.
Im Sommer des Vorjahres war die Garde gegründet worden – als Reaktion auf die Budapester Straßenunruhen im Herbst 2006, wie Garde-Gründer Gábor Vona im Gespräch mit der „Presse" meint. „Damals ist uns klar geworden, dass zwischen der Regierung, die die Interessen des Landes mit Füßen tritt, und der ungarischen Gesellschaft eine tiefe Kluft herrscht." Die Garde gehört zur rechtsextremen Partei Jobbik und zählt 1300 Mitglieder. Männer der Garde gehen immer wieder in ungarischen Städten auf Patrouille.
Die Roma protestieren
Diese „Nachtspaziergänge zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit" sind aus Sicht der Garde bitter nötig. So malt Hauptmann Dósa in seiner Rede in Szikszó die Situation in Ungarn in düsteren Farben: In vielen Komitaten des Landes (vergleichbar mit den österreichischen Bundesländern) herrsche blanker Terror. Im Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén, eine der ärmsten Regionen in Nordostungarn, gebe es kein Dorf, wo „bei Einbruch der Dunkelheit der aufrechte und anständige ungarische Bürger auf die Straße gehen kann, ohne um sein Leben zu fürchten." Dósa hat auch die Lösung für das Problem parat: Die unglaubwürdige und unfähige politische Elite des Landes müsse „von der Macht gefegt werden". Nur wenn die Ungarische Garde und ihr gleich gesinnte Kräfte die Macht in Ungarn erlangen, „herrscht wieder Recht und Ordnung", so Dósa.
Unterdessen haben sich auf der gegenüberliegenden Seite des Szikszóer Hauptplatzes mehrere hundert Roma versammelt, die von ihrem regionalen Chef Attila Lakatos angeführt werden. Sie sind aufgebracht und müssen von der Polizei zurückgehalten werden. „Wir sind genauso Ungarn wir ihr!" und „Wir lassen uns von euch nicht einschüchtern!", schreien sie mit gereckten Fäusten in Richtung Gardisten.
Roma-Chef Lakatos, ein kleinwüchsiger Mann mit Schnauzbart und breitkrempigem Hut, hat größte Mühe, seine Schar im Zaum zu halten. „Zeigen wir ihnen, dass wir unseren Unmut auch friedlich ausdrücken können!", schreit Lakatos. Seine Worte verfangen prompt. Statt auf die Ungarische Garde loszugehen, singen die Roma die ungarische Hymne, die mit der Strophe „Gott, segne das Ungartum!" beginnt.
„Hoch lebe die heilige Heimat!"
Derweil ergreift auf der anderen Seite des Platzes einer der Gründer der Ungarischen Garde, Levente Murányi, das Wort. Murányi, der auch Vizeparteichef der rechtsradikalen Partei Jobbik ist, der politischen Mutterorganisation der Garde, geißelt sowohl Liberalismus und Globalisierung. Nazismus und Kommunismus seien schlimm gewesen, „doch am niederträchtigsten ist der Liberalismus", wettert Murányi. Das „stinkende globale Pack" der Liberalen, in deren Sold auch die linke Regierung von Premier Ferenc Gyurcsány stünde, wolle die Ungarn ausbeuten. „Wir stehen vor einem Bürgerkrieg und Hungerrevolten der ausgebeuteten ungarischen Bauern." Und als Nachsatz schreit er der Menge zu: „Die Ungarische Garde wird als Speerspitze einer nationalen Bewegung die Interessen der Magyaren verteidigen!"
Murányis Worte ernten tosenden Applaus und „Hoch lebe die heilige ungarische Heimat!"-Rufe. Schließlich marschieren die Gardisten im Gleichschritt ab. Allmählich löst sich auch die Schar der Roma auf. Unter ihnen ist der Präsident der Stiftung für die Bürgerrechte der Roma, Aladár Horváth. Er erklärt, dass Hunderttausende minder qualifizierte Roma als Folge des postkommunistischen Transformationsprozesses arbeitslos geworden seien.
„Diese Menschen leben heute in Armut, Elend und sozialer Ausgrenzung". Einige von ihnen suchten ihr Heil in der Kriminalität. Und gerade dies werde von der Ungarischen Garde ausgeschlachtet. Ja, die „neofaschistischen Gardisten" gingen sogar so weit zu behaupten, dass die Kriminalität unter den Roma genetisch bedingt sei. Neben den Roma habe die Ungarische Garde aber noch drei weitere Feindbilder: die Juden als „Lenker der Globalisierung", die Kommunisten, gleichzusetzen mit der Regierung, und die Homosexuellen, sagt Horváth.
SS-ähnliche Uniformen
Gábor Vona, Garde-Gründer und Vorsitzender von Jobbik, stellt im „Presse"-Gespräch die Gardisten in rosigem Licht dar. Die Ungarische Garde rekrutiere sich aus „wertvollen Menschen", die durchwegs „soziale, karitative und gemeinnützige Aufgaben" versähen, sagt Vona. Außerdem widme sie sich der „Traditionspflege". Von daher rühre auch die Uniform der Gardisten. Schwarze Hose und weißes Hemd habe auch der „arme, aufrechte Bauernjüngling aus der ungarischen Überlieferung getragen", erklärt Vona.
Er widerspricht damit Vorwürfen, wonach die Adjustierung der Ungarischen Garde nach dem Muster der SS-Uniform entworfen worden sei. Die Garde sei dazu da, die am Boden liegende ungarische Nation aufzurichten. In naher Zukunft soll sie 4000 Mitglieder haben, hofft Vona. Für seine Partei Jobbik erwartet er sich bei den Wahlen 2010 zehn Prozent und damit den Sprung ins Parlament.
UNGARISCHE GARDE
■1300 Mitglieder zählt die Ungarische Garde. Sie wurde 2007 gegründet, ein Jahr nachdem der Zwist zwischen sozialdemokratischer Regierung und konservativer Opposition in Straßenschlachten ausgeartet war.
■Mutterorganisation der Garde ist die rechtsradikale Partei „Jobbik". Sie möchte 2010 ins Parlament einziehen.
■Feindbilder der Garde sind Roma und „Liberale". Kritiker werfen ihnen auch Antisemitismus vor. Die Uniformen der Garde erinnern an den Faschismus.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2008)