2008. november 3., hétfő

1.236 - Gyurcsány fester im Sattel? - Ungarischer Blick in den Abgrund - Gyurcsany sah Ungarn vor dem Bankrott

Gyurcsany sah Ungarn vor dem BankrottxBudapest (dpa) - Ein Mitte der Woche verkündetes Nothilfepaket des IWF und der EU hat Ungarn nach Angaben von Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany vor dem Bankrott gerettet. Er habe schon mit dem Ärgsten gerechnet, sagte Gyurcsany in einem Interview. Bei der Hilfsaktion hätten Kanzlerin Angela Merkel, der britische Premier Gordon Brown und der französische Präsident Nicolas Sarkozy eine herausragende Rolle gespielt. IWF und EU hatten Ungarn am Mittwoch einen Kreditrahmen von 20 Milliarden Euro zugesagt.
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© sueddeutsche.de - erschienen am 01.11.2008 um 21:50 Uhr
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Ungarischer Blick in den Abgrund02.11.2008 | 18:29 | Von unserem Korrespondenten PETER BOGNAR (Die Presse)
MEGA-KREDIT. In Budapest machte schon das böse Wort vom Staatsbankrott die Runde; ein Milliardenkredit entspannte die Lage.
BUDAPEST. Ungarn ist von der globalen Finanzkrise mit brachialer Wucht getroffen worden. Nachdem die Kassandrarufe immer lauter wurden, die sogar einen Staatsbankrott an die Wand malten, wandte sich die sozialistische Minderheitsregierung von Premier Ferenc Gyurcsány an den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Finanzhilfe.
In der Vorwoche schließlich wurde Ungarn vom Dreiergespann IWF, Weltbank und EU ein Kreditrahmen in Höhe von rund 20 Milliarden Euro gewährt, womit das Schlimmste wohl abgewendet werden könnte. Als Folge konnte sich die ungarische Währung, der Forint, wieder stabilisieren, nachdem er sich zuvor ungebremst im Sturzflug befunden hatte.Auf Geheiß des IWF schnürte die Regierung Gyurcsány zudem ein neues Sparpaket, das vor allem bei den Staatsausgaben drastische Einschnitte vorsieht.
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„Schandfleck der EU"
Zeichneten sich Gyurcsány und seine Minderheitsregierung in den vergangenen zwei Wochen durch ein geschäftiges Krisenmanagement aus, hatten sie sich zu Beginn der Krise noch zögerlich und unentschlossen gezeigt. Erst nachdem der Börsenindex der Budapester Börse (BUX) und der Forint in die Tiefe gesaust waren, trat die Regierung Gyurcsány auf den Plan. So berief der Regierungschef einen „nationalen Gipfel" ein, an dem neben den Spitzen der Parlamentsparteien auch Ökonomen und ranghohe Gewerkschaftsvertreter teilnahmen.
Auf dem Gipfel traten indes einmal mehr die Gegensätze der zwei Großparteien – der Sozialisten und der konservativen Jungdemokraten – offen zutage. Hatte es im Vorfeld des Gipfels noch so ausgesehen, als näherten sich die Konservativen und ihr Chef, Ex-Premier Viktor Orbán, den regierenden Sozialisten an, setzten sie deren Verteufelung dann doch fort und machten die Regierung für die ganze Krise verantwortlich. Im Hinblick auf den Mega-Kredit von IWF, Weltbank und EU wiederum bezeichneten sie Ungarn als „Schandfleck der EU".
Den Weg aus der Krise sehen Orbáns Jungdemokraten nicht zuletzt in massiven Steuersenkungen. Sie argumentieren, dass durch die Senkung der horrenden Steuerlast in Ungarn die Wirtschaft wieder auf Touren kommen könnte. Wie sie die milliardenschwere Steuerentlastung aber finanzieren will, hat die Oppositionspartei bisher nicht verraten. Neben Steuersenkungen fordern die Konservativen auch unaufhörlich einen Wechsel des Regierungschefs. Mit dieser Forderung stehen sie im Moment aber ziemlich alleine da. Angesichts der Krise wagt derzeit nämlich niemand in Ungarn, an Neuwahlen und einen damit verbundenen monatelangen Wahlkampf zu denken.
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Gyurcsány fester im Sattel?Außerdem scheint ausgerechnet die wirtschaftliche Misere die Position von Premier Gyurcsány und seiner Minderheitsregierung gestärkt zu haben. Durch sein entschlossenes Krisenmanagement in den vergangenen zwei Wochen sitzt der Premier offenbar wieder etwas fester im Regierungssattel. War noch vor wenigen Wochen rege darüber spekuliert worden, dass Gyurcsány vorzeitig aus dem Amt scheiden könnte, wird ihm heute sogar zugetraut, bis zu den Parlamentswahlen 2010 als Regierungschef durchzuhalten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2008)
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Horrorszenarien für Europas SorgenkinderBURKHARD BISCHOF (Die Presse)
Die Finanz- und Wirtschaftskrise trifft drei Länder ganz besonders hart: die Ukraine, Ungarn und Russland.
Die fetten Jahre sind vorbei – diese Botschaft ist inzwischen mit voller Wucht auch in Mittel- und Osteuropa angekommen. Die globale Finanzkrise und die mit ihr anschwellende Krise der Realwirtschaft treffen die Region schwer, wenn sie in den einzelnen Ländern auch zunächst unterschiedliche Auswirkungen zeigt. Sicher ist nur: Kein Land steht so gut da, dass es sich der Krise entziehen kann.
Besonders hart betroffen sind drei Länder: die Ukraine, Ungarn und Russland. Auch Rumänien, Bulgarien, Albanien, Kroatien, Serbien, Estland und Lettland sind Wackelkandidaten und sehen wirtschaftlich äußerst schwierigen Zeiten entgegen. Polen, die Slowakei und Tschechien könnten ebenfalls schwerere Rückschläge einstecken müssen, scheinen im Moment aber etwas weniger betroffen.
Die Ukraine und Ungarn stecken deshalb so tief im Schlamassel, weil sie eine Doppelkrise durchmachen: Seit längerem schon befinden sie sich in einer politischen Dauerkrise, die von einer völlig zerstrittenen und verantwortungslosen Elite verursacht wurde. Dazu kommen jetzt die finanziellen und wirtschaftlichen Turbulenzen. Nur: Weder in Kiew noch in Budapest zeigt die Elite selbst angesichts der ökonomischen Sturmwarnungen die Bereitschaft, ihre Machtambitionen zurückzuschrauben und ihren internen Streit zu beenden, um gemeinsam Auswege aus der Krise zu suchen.
Die Konsequenz ist ein rasanter Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Wozu das wiederum führen kann, ist auch bekannt: zu einer Radikalisierung der Wählerschaft, die bei nächster Gelegenheit extremistische Kräfte stärken wird. In der Ukraine etwa prophezeien politische Beobachter der nationalistischen Partei „Swoboda" und den orthodoxen Altkommunisten des Blocks „Witrenko" bei den kommenden Parlamentswahlen starke Zugewinne.
Zwar hat die Ukraine einige gute wirtschaftliche Wachstumsjahre hinter sich. Aber das Geld wurde von der Regierung nicht etwa für die Modernisierung der Wirtschaft, sondern für Sozialleistungen und die Finanzierung der Einfuhren zur Versorgung der Bevölkerung verwendet. Viele Anzeichen weisen also darauf hin, dass die Ukraine Europas größtes Sorgenkind werden könnte, weil hier zudem noch Russland und der Westen um Einfluss ringen. Das Land ist wirtschaftlich am Boden und politisch zerrissen. Das trifft weitgehend auch auf Ungarn zu. Nur hat dieses Land einen großen Vorteil: Es ist Mitglied der EU und kann von dort mit Hilfe bei der Bewältigung der Krise rechnen.
Wie in Kiew ist es auch in Budapest eine egoistische politische Elite, die sich nicht zusammengerauft hat, um Barrieren gegen die drohende Wirtschaftskrise aufzubauen, und die jetzt international um Notkredite betteln muss. Und auch in Ungarn ist die Gefahr einer politischen Radikalisierung groß. Denn hier liegen sich nicht nur Präsident und Regierungschefin samt Oppositionschef in den Haaren, hier geht der Riss zwischen Sozialisten und Nationalkonservativen mitten durch die ganze Gesellschaft.

Schwer gebeutelt wird auch Russland von der Krise, obwohl Moskau dank der angesammelten 560 Mrd. Dollar Rücklagen die schlimmsten Auswüchse bekämpfen kann. Die Aktienkurse fielen um über 70 Prozent, die Oligarchen sollen um 240 Mrd. Dollar ärmer geworden sein. Die Schulden russischer Unternehmen im Ausland werden auf 510 Mrd. Dollar geschätzt.
Die russische Führung hat bisher die Krise kleingeredet und vor allem den Westen für deren Auswirkungen verantwortlich gemacht. Schadenfreude und Sündenbocksuche aber sind gewiss keine geeigneten Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Die russische Bevölkerung spürt das. Schon gibt es Berichte, wonach die Leute anfangen, Speiseöl und Nudeln zu horten.
Russische Stimmen, die die Krise auch als Chance sehen, die staatliche Kontrolle über das ökonomische Leben zu lockern, um Strukturreformen in Angriff zu nehmen und die Wirtschaft zu modernisieren, werden derzeit kaum Gehör finden. Der Reflex der russischen Elite geht eher in die andere Richtung: mehr staatliche Interventionen in die Wirtschaft. Manche Beobachter befürchten, dass das Führungsgespann Medwedjew/Putin das Heil sogar in einer „Entwicklungsdiktatur" suchen könnte.
Politische Radikalisierung, Heilssuche in neuen Formen der Diktatur sind die Horrorszenarien, die sich aus der jetzigen Krise ergeben könnten und für die Mittel- und Osteuropa anfällig sind. Alles schon da gewesen – mit dem Effekt einer Welt in Flammen. Vielleicht täte den verantwortlichen Politikern überall in Europa gerade jetzt eine Geschichtsstunde ganz gut.
burkhard.bischof@diepresse.com x("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2008)
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