2008. november 8., szombat

1.267 - Von Ulrike Schwalm: Mátészalka liegt nur rund 50 Kilometer von der ukrainischen und der rumänischen Grenze entfernt, mitten in der unfruchtbaren Steppe

Ahrensburg: Schon zum zehnten Mal organisiert Boris Georgiev einen HilfstransportEr beschenkt die Ärmsten in UngarnZiel ist eine Kleinstadt an der Grenze zur Ukraine, wo die Menschen unter Arbeitslosigkeit und Inflation leiden.Von Ulrike Schwalm
Ahrensburg/Großhansdorf -
"Alle reden von der Wirtschaftskrise. Die Menschen, denen wir in Ungarn helfen, sind am härtesten davon betroffen", sagt Boris Georgiev (38). Der Ahrensburger Werbefotograf bringt eine handgenähte ungarische Flagge an der Garage seines Stiefvaters Heinz Wunderlich (89) am Erlenring in Großhansdorf an: "Unser Zeichen, dass die Sammlung wieder losgeht." Seine Mutter, die in Budapest gebürtige Geigenprofessorin Nelly Söregi-Wunderlich (1932 bis 2004), hatte das Banner einst nähen lassen.
Mit dem Nationalsymbol wirbt der Fotograf, der die Aktion 1998 mit seiner Mutter gestartet hatte, nicht um Solidarität für Menschen in Budapest oder die Ferienregion Balaton - beide Regionen sind Lichtblicke in dem mitteleuropäischen Land, das bereits 2006 mit 9,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes das höchste Haushaltsdefizit in der Europäischen Union erreicht hatte. Georgiev sammelt für die Verlierer der ohnehin maroden Wirtschaft: "Die Menschen von Mátészalka, einer Stadt mit 18 000 Einwohnern im äußersten Nordosten Ungarns. 70 Kilometer nordöstlich der Großstadt Debrecen."
Mátészalka liegt nur rund 50 Kilometer von der ukrainischen und der rumänischen Grenze entfernt, mitten in der unfruchtbaren Steppe. Das Einzige, was dort boomt, ist die Arbeitslosigkeit. Und die Inflation. Lebensmittel, aber auch Strom, Gas und Benzin werden immer teurer. Ein Arbeiter verdient nur etwa 500 bis 700 Euro im Monat. Georgiev sagt: "Das langt umgerechnet gerade für zehn Big-Mac-Mahlzeiten für eine dreiköpfige Familie."
Den vom Fortschritt und vom Tourismus vergessenen Ort hatte Nelly Söregi-Wunderlich einst über eine Freundin, die Heilpraktikerin Piroschka Toth (60) aus Debrecen, entdeckt. Seit dem Tod seiner Mutter setzt Boris Georgiev die Aktion mithilfe seiner Partnerin Martina Buhs (40) und Tochter Kimberly (12) fort. "Das Prinzip ist ganz einfach: Wir sammeln Bananenkartons, weil sich die so gut stapeln lassen. Jeder von uns hat doch, wenn er den Kleiderschrank durchschaut, jedes Jahr so einen Karton voller ausrangierter Klamotten übrig", sagt er.
Kimberly hat zum Beispiel jetzt einen nur zwei Jahre alten Eastpack-Rucksack, warme Pullis, T-Shirts und Turnschuhe eingepackt. Und in ihrer Schule, der Stormarnschule in Ahrensburg, hat die Schülervertretung im November 2207 mehr als 150 Weihnachtsgeschenke in Schuhkartons eingesammelt. In ganz Stormarn waren es 400. Außerdem kamen 1050 Bananenkartons voller Kleider, aber auch mit Kaffee und haltbaren Lebensmitteln wie Haferflocken, Nudeln oder Reis zusammen.
"Die Aktion begleitet mich das ganze Jahr. Es begann im Frühjahr: Da habe ich die ersten Telefonate Gottfried Müller-Lotze von der Johanniter-Auslandshilfe Hamburg geführt", sagt Boris Georgiev. Die gemeinnützige Organisation bringt die Spenden noch in diesem Monat mit einem 40-Tonner in das 1300 Kilometer entfernte Mátészalka. Erstes Ziel des Transports ist die örtliche Klinik. Deren Leiter, Sándor Kovács, führt die Ortsgruppe der Johanniter und sorgt für die weitere Verteilung.
"Kuscheltiere", haben die Patienten der Kinderabteilung (80 Betten) in der Klinik über die Dolmetscherin dem Ahrensburger ihren sehnlichsten Wunsch übermittelt. Georgiev sagt: "Gebraucht wird aber alles: Kinderkleidung, warme Wintersachen, Schuhe, Krücken... Auch für ein Waisenhaus und eine Behindertenschule in der Steppenstadt." Boris Georgiev hat sie zuletzt 2005 besucht: "Mich beeindruckt die Fröhlichkeit der Menschen. Gerade in der Wirtschaftskrise." All die Jahre kamen Kinderbriefe zurück, aufwendig bemalt: "Köszönöm! Danke!", stand auf ganz vielen.
"Wenn ich mir vorstelle, wie die Kleinen dort die Weihnachtsgeschenke bekommen, bin ich ganz begeistert", sagt der Familienvater. "Und es macht riesigen Spaß, sich mit den Spendern zu unterhalten. Viele Stormarner unterstützen uns seit zehn Jahren. Schon seit Wochen klingelt unser Telefon: Sammelt ihr wieder?"
erschienen am 8. November 2008