2009. február 22., vasárnap

1.852 - Ungarn und Lettland wurden gerade noch mit Notkrediten gerettet. 230 Mrd. Euro an Krediten haben Österreichs Banken im Osten offen stehen

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Gesendet: Sonntag, 22. Februar 2009 22:06
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Dossier Wiener Drama

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Financial Times Deutschland – Germany

Dossier Wiener Drama  von Christian Höller (Wien)

Bedingungslos hat Österreichs Wirtschaft auf Geschäfte in Osteuropa gesetzt. Nun stürzen die Nachbarn ab - und reißen das Land mit. Die Politik fordert verzweifelt ein Rettungspaket des Westens für den Osten. Ein Plan B fehlt ihr

Also das Tanzen, das lässt sich die Regierung nicht verbieten. Die Opposition will den Wiener Opernball absagen? Wegen der Finanzkrise? Ah, neee. Wo bleibt da der Sinn für Tradition? Die Freude am Leben? Und so spielten die Reichen und Wichtigen des Landes in der vergangenen Woche noch einmal ein wenig Habsburger Reich, feierten einen Ball, so tönend und prunkvoll, als würde immer noch der Kaiser erwartet: Fanfaren, Orden, Geschmeide, Nationalhymne. Und auf den ersten Blick war es auch wie immer, die Debütanten riefen "Alles Walzer", in den Logen orderten Bankdirektoren Champagner, und der Bauunternehmer Richard "Mörtel" Lugner hatte eine Promi-Schönheit einfliegen lassen, diesmal die "Desperate Housewife" Nicollette Sheridan.

Doch schaute man genauer hin, so merkte man doch recht bald, dass dem Ball diesmal einiges fehlte, nämlich ein erkleckliches Maß an Prominenz aus Politik und Wirtschaft und vor allem die guten Freunde aus dem Osten, die Regierungschefs der Nachbarländer, die in den vergangenen Jahren so gern gekommen sind; diesmal blieben sie fern. So abgezockt sind sie dann doch nicht wie Bundeskanzler Werner Faymann, der sagte: "Ich lasse mir das Fest nicht von der Wirtschaftskrise verderben."

Nun, sollte er vielleicht auch nicht. Schon bald könnte ihm nicht mehr nach Feiern zumute sein. Seinem Land droht ein Desaster. Etwas hat sich gegen Österreich gewendet, was ihm eigentlich eine große Zukunft sichern sollte: die Milliardengeschäfte in den ehemaligen Kronländern der Habsburger Monarchie. Diese Länder stürzen derzeit reihenweise ab - und reißen den Nachbarn mit. "Geht Österreich pleite?", sorgt sich bereits das Wiener Nachrichtenmagazin "Profil".

Dank seiner Historie, dank seine Geografie wollte Österreich Brückenbauer zwischen dem Osten und Westen Europas sein, seit Jahrzehnten verfolgte die österreichische Wirtschaft die Strategie, sich in die einstigen Kronländer einzukaufen. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sicherte sie sich die besten Plätze, allen voran drei Banken, die Erste Bank, die Raiffeisen International und die Unicredit-Tochter Bank Austria. Sie wollten raus aus dem kleinen Heimatmarkt, und zwar nach Osten. "Wir stehen den Ungarn und Tschechen nun einmal näher als den Deutschen", sagt der Chef der Wiener Erste Bank, Andreas Treichl.

Goldene Zeiten konnte Treichl noch vor der Krise feiern, mit launigen, überheblichen Sprüchen: "Niemand wächst so schnell wie wir", sagte er und versprach seinen Aktionären Wachstumsraten von 20 Prozent im Jahr, in manchen Ländern wie Rumänien könne er sogar 40 Prozent erreichen. In einem Jahrzehnt machte Treichl aus einer kleinen Regionalbank mit 600.000 Kunden eine Börsengröße, die im Osten einen Rivalen nach dem anderen aufkaufte und heute 16 Millionen Kunden betreut - zweimal so viel wie Österreich Einwohner hat. Treichls spektakulärster Deal war der Kauf von knapp zwei Dritteln an Rumäniens Marktführer BCR, für den er 3,75 Mrd. Euro hinlegte: die teuerste Bankübernahme in Osteuropa aller Zeiten. Das Gebot entsprach dem 5,8-fachen Buchwert des BCR-Eigenkapitals. Normalerweise sind die Aufschläge in der Region halb so groß. Die Regierung in Bukarest musste das Geld in London anlegen, weil ein Umtausch die Landeswährung dramatisch aufgewertet hätte. Nach der Transaktion wurde Treichl in seiner Heimat zum "Manager des Jahres" gekürt. "Nur der Himmel kann ihn stoppen", titelte der Boulevard.

Und die Finanzkrise. Der Kurs der Bank ist um 90 Prozent eingebrochen. Treichl braucht Milliarden aus dem 100-Mrd.-Euro-Rettungspaket des Staates. Längst gibt es Zweifel, ob dieses Paket ausreicht - bei dieser aktuellen Lage: Ungarn und Lettland wurden gerade noch mit Notkrediten gerettet. Der Ukraine droht der Staatsbankrott. Bulgarien ist angeschlagen. Rumänien braucht Hilfen von der EU. Alles Hiobsbotschaften für die Österreicher, deren Land kleiner ist als Bayern, aber 20 Prozent des Bankgeschäfts in Osteuropa macht. Ob Rumänien, Slowakei, Serbien, Bosnien oder Ukraine - die Wiener Banken sind Marktführer. In Tschechien, Bulgarien, Kroatien und Weißrussland liegen sie auf dem zweiten Platz. Sogar in Wladiwostok am Pazifik und in Kasachstan finden sich rot-weiß-rote Bankfilialen.

230 Mrd. Euro an Krediten haben Österreichs Banken im Osten offen stehen. Das entspricht 78 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes. Keine andere Nation ist im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung so stark in der Krisenregion engagiert. "Wenn nur zehn Prozent der Kredite gefährdet sind, haben wir ein ernstes Problem", warnt Finanzexperte Hannes Androsch, ein Berater von Bundeskanzler Faymann.

Immer mehr wird klar, dass der Aufschwung der einstigen Boomregion vor allem mit Krediten finanziert wurde. Selbst bei kleinen Käufen wie Computern oder Fernsehern sprang die Bank ein. Steigende Immobilienpreise und Aktienkurse machten die Menschen immer übermütiger. Laut einer Studie der Bank Austria ist die Gesamtverschuldung der privaten Haushalte in Osteuropa seit 2002 pro Jahr um 44 Prozent gestiegen. Für die Ukraine schätzen Ökonomen den Anteil der Problemkredite auf ein Viertel - vor einem Jahr waren es drei Prozent.

Längst fliehen internationale Investoren aus der Region, was die Währungen abstürzen lässt, die in wenigen Monaten 30 oder 40 Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren haben. "Viele Privatleute haben sich in Hartwährungen wie dem Dollar oder dem Euro verschuldet, um Zinsen zu sparen", sagt Matthias Krieger von der Landesbank Baden-Württemberg. Nun wachsen deren Probleme, die Verbindlichkeiten zu tilgen. "Rumänien könnte Österreich in den Bankrott führen", titelten Zeitungen in Bukarest.

Das Wirtschaftsmodell des Landes ist ins Wanken geraten. Nicht nur die Banken, praktisch alle Industriezweige sind auf Osteuropa ausgerichtet. Das Netz der Telekom Austria reicht von Weißrussland bis nach Serbien. Der Erdöl- und Gaskonzern OMV ist nach Gazprom aus Russland einer der führenden Anbieter. Die Wiener Städtische-Versicherung ist in Ländern wie Georgien und Albanien präsent. Die Wiener Börse hat die Börsen in Budapest, Ljubljana und Prag geschluckt. Auch internationale Konzerne steuern ihr Osteuropageschäft von Wien - Siemens, Heineken, Beiersdorf, McDonald's, Coca-Cola und Alcatel.

Was auf die zukommen kann, zeigt das Beispiel der Wiener Gesellschaft Immofinanz, die einst mit einem Börsenwert von 6 Mrd. Euro zu den größten Immobilienkonzernen in Osteuropa gehörte. Zuletzt musste das Unternehmen seine Bestände abwerten, machte Milliardenverluste. Zweites Beispiel: die Fluggesellschaft Austrian Airlines (AUA), die sich damit brüstete, die meisten Flugverbindungen nach Osteuropa anzubieten. Die Zahl der Passagiere ist stark gefallen, nun wickelt die Wiener Regierung den Notverkauf der Gesellschaft an Lufthansa ab.

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