2009. március 23., hétfő

2.108 - Von Jan Mainka: Das Ungarische Demokratische Forum (MDF) hat nicht nur mit der Nominierung des ehemaligen Finanzministers Lajos Bokros für teils heftige Reaktionen gesorgt.

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Gesendet: Montag, 23. März 2009 14:03
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Budapester Zeitung

 

Beraterrepublik Ungarn

 

Von Jan Mainka    Budapester Zeitung

http://www.budapester.hu/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=44&Itemid=112

Montag, 23. März 2009

Sowohl Ferenc Gyurcsánys gescheiterter Vorstoß in Brüssel als auch die Bokros-Entscheidung von Ibolya Dávid haben eins gemeinsam: Sie sind beide das Produkt der unkritischen und unkreativen Übernahme von externen Beratervorschlägen.

Prinzipiell ist gegen den Einsatz von Beratern nichts einzuwenden. Das immer komplexere Entscheidungsumfeld und die immer stärkere zeitliche Inanspruchnahme der Politiker durch Repräsentationspflichten und Machtkämpfe macht die Einbeziehung von externem Know-how sogar notwendig. Da geht es Spitzenpolitikern nicht viel anders als Top-Managern.

Problematisch wird es jedoch, wenn die stark sachbezogenen Beratervorschläge ungefiltert ihren Weg in die Praxis finden. Wenn sie ohne eine vorausgegangene kritische Untersuchung hinsichtlich ihrer Realitätskompatibilität und Akzeptanz bei den Betroffenen auf den Weg geschickt und die ihnen oft innewohnenden „Risiken und Nebenwirkungen“ schlichtweg ignoriert werden. Denn egal wie gut durchdacht die einzelnen Vorschläge auch immer sind, bezüglich ihrer Umsetzbarkeit enthalten sie meist keinen Leitfaden.
Warum auch? Immerhin fängt doch genau hier die Arbeit der Politiker an. Nicht zuletzt dafür gibt es diesen Berufstand schließlich! Würden Politiker ihre Existenzberechtigung nur im Verlesen von Beratervorschlägen und dem willenlosen Exekutieren von an sie herangetragenen Wünschen sehen, wären sie überflüssig. Als Vermittler zwischen dem rational Wünschenswertem und dem politisch Machbaren, das in der Regel nicht deckungsgleich ist, haben sie aber sehr wohl eine Existenzberechtigung.

Damit sich Politiker als gute Mediatoren und geduldige Unterhändler des Gemeinwohls bewähren können, brauchen sie jedoch zahlreiche Vorrausetzungen. Eine davon ist die Gabe, intuitiv und analytisch mögliche Folgen eines geplanten Schachzuges abschätzen zu können. Die Tatsache, dass kurz hintereinander gleich zwei Exponenten der ungarischen Politik bewiesen haben, dass sie das nicht können, stimmt bedenklich.

Vorausgesetzt natürlich, dass es jüngst nicht Gyurcsánys Absicht gewesen ist, sich und sein Land in Brüssel zu blamieren oder den Forint zu schwächen. Ebenso kann wohl auch Ibolya Dávid kaum unterstellt werden, dass sie sich mit der Bokros-Nominierung bewusst als Totengräberin der MDF-Fraktion in Szene setzen wollte. Das Schockierende an beiden Fällen ist, dass es erfahrene Politprofis waren, die so eklatante – aber selbst für unbedarfte Beobachter der Szene nicht sonderlich überraschende – Unfälle verursacht haben.

Absehbares Fiasko

Es war abzusehen, dass der Vertreter des gescheiterten Musterschülers und Euro-Sitzenbleibers Ungarn mit seiner Milliarden-Idee in Brüssel keine Beifallsstürme ernten würde, ja, nicht einmal ein wohlwollendes Nicken. Ebenso klar war auch, dass Hardcore-Sanierer Bokros mit seinem sozialistischen Stallgeruch bei den konservativen MDFlern nicht mit offenen Armen empfangen wird, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Übrigens sagen die peinlichen Kollateralschäden beider Avancen nichts über die Güte der ursprünglichen Beratervorschläge aus.

Im Großen und Ganzen hat es langsam den Anschein, dass sich die Politiker – nachdem sie bereits einen Teil ihrer Autonomie der Fremdbestimmung durch Parteigremien oder andere Einflussgruppen geopfert haben – nun anschicken, weitere Teile ihrer Selbständigkeit an Berater zu überantworten. Sie degradieren sich damit zu reinen Abstimmungsmaschinen, Vollstreckern fremder Interessen und zu unkritischen Verkündern fremder Ideen. Der Qualität ihrer Arbeit ist dies sicher ebenso wenig zuträglich wie dem Gemeinwohl.

Zunehmend fremdbestimmte und an Sachfragen desinteressierte Politiker stehen inzwischen immer mehr dienstbeflissenen und profilierungshungrigen Politikberatern gegenüber. Um sich auf diesem Markt zu behaupten, brüten die Berater immer spektakulärere Ideen aus, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Politiker wiederum können regelmäßig der Versuchung nicht wiederstehen, von diesem Beratungscocktail zu kosten.

Verstand und festes Rückgrat

Die Alternative wären freilich souveräne Politiker mit gesundem Menschenverstand und festem Rückgrat. Politiker, die sich im Sinne ihrer ursprünglichen Bestimmung – der Maximierung des Gemeinwohls – entschlossen engagieren. Die sowohl allzu frechen Instrumentalisierungsversuchen widerstehen können, als auch nicht gleich vor jedem Beratervorschlag vor Demut in den Sand sinken. Beratervorschläge sind schließlich keine Befehle, sondern nur Handlungsoptionen, die lediglich die ergebnisoffene und kritische Diskussion von Sachfragen erleichtern sollen.

Beratervorschläge blind zu übernehmen, ist daher genauso falsch, wie sie pauschal abzulehnen. Letzteres Schicksal wurde letzte Woche dem Vorschlagspaket des Reformbündnisses von Seiten der Sozialisten zuteil. In völliger Verkennung der Tatsache, dass es sich lediglich um einen Vorschlag handelte, wurde es brüsk und nicht ohne populistische Untertöne vom Tisch gefegt. Vorausgegangene Versuche, diesen Vorschlag auf nützliche Komponenten und diese wiederum auf politische Umsetzbarkeit hin zu untersuchen, gab es wie in den anderen beiden Fällen kaum.

Der Altmeister der deutschen Soziologie, Max Weber, befand für einen Politiker das Vorhandensein von drei Qualitäten entscheidend: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß. Demgegenüber haben wir es heute überwiegend mit Politikern zu tun, deren Leidenschaft und Verantwortung in erster Linie den Interessen ihrer Partei oder starken Lobbygruppen gelten – und damit letztendlich ihrem Portemonnaie und ihrem persönlichen Fortkommen. Das Augenmaß scheinen sie dagegen immer mehr zu verlieren oder an irgendwelche Berater „outzusourcen“.

Die Unlust der Politiker, sich für ihren Job zu engagieren, paart sich in Ungarn mit einem inflationär wachsenden Heer an selbsternannten Politikberatern. Anstelle von Politikern oder kritischen Journalisten reißen diese zunehmend den öffentlichen Diskurs an sich.

Selbsternannte Sprecher

In ungarischen Polit-Talkshows diskutieren vermehrt nicht mehr die Vertreter der verschiedenen politischen Lager miteinander, sondern Politikberater. Als selbsternannte Sprecher versuchen sie mit kriminalistischen Spürsinn, den Sinn von politischen Schachzügen zu ergründen – derweil die Besprochenen wahrscheinlich gerade daheim vor dem Bildschirm neugierig die – sie gelegentlich sicher überraschende – Auslegung ihrer Worte mitverfolgen. Weniger eitle Politiker werden wahrscheinlich einfach nur kopfschüttelnd den Kanal wechseln.

Dass Politiker zunehmend anderen Interessen als denen des Gemeinwohls dienen, lässt ihre Rolle als „Volksvertreter“ schon längst in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Wenn sie jetzt auch noch ihre Gestaltungs- und Entscheidungskompetenz an Berater abtreten, könnte sich langsam wirklich die Frage nach der Existenzberechtigung dieses Berufsstandes in seiner derzeitigen Art stellen. Verständlich wird auf jeden Fall, warum die verwahrloste ungarische politische Arena zunehmend von engagierten, noch unverdorbenen Bürgern belebt wird, die dem Weberschen Politikerideal weit mehr entsprechen.

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http://www.budapester.hu/index.php?option=com_content&task=view&id=4012&Itemid=27

„Ungarn braucht jede helfende Hand“

 

Von Jan Mainka   

Montag, 23. März 2009

Das Ungarische Demokratische Forum (MDF) hat nicht nur mit der Nominierung des ehemaligen Finanzministers Lajos Bokros für teils heftige Reaktionen gesorgt. Auch die Besetzung des zweiten Listenplatzes sorgte für Aufsehen. Bekäme das MDF genug Stimmen, könnte Ungarn im EU-Parlament bald durch Georg Habsburg, dem Enkel des letzten ungarischen Königs Karl IV. und Sohn des langjährigen EU-Parlamentariers Otto von Habsburg, vertreten sein. Gegenüber der Budapester Zeitung äußert sich Georg Habsburg zu den Motiven für seine Zusage.

Wie kamen Sie auf die MDF-Liste?

Das Angebot von Ibolya Dávid kam für mich überraschend. Auf einem kurzfristig anberaumten Treffen hatte sie mir einen Platz als Parteiloser auf der MDF-Liste vorgeschlagen.
Warum haben Sie zugesagt?

Ungarn steckt in einer schweren Krise. In dieser Situation muss man sich überlegen, wo man am besten helfen kann. Ich konnte bisher mit meiner Arbeit fürs Rote Kreuz einiges tun. Mein Hauptinteresse – und da bin ich leicht erblich belastet – liegt natürlich im Europäischen Parlament. Wenn man dann die Möglichkeit bekommt, für dieses Parlament zu kandidieren, dann überlegt man sich das schon genauer. Ich glaube, im Moment kann Ungarn jede helfende Hand im Europäischen Parlament gebrauchen.

Was hatten Sie bisher mit dem Europäischen Parlament zu tun?

Mein Kontakt zum Europäischen Parlament besteht seit 1979, seit der ersten Direktwahl. Damals arbeitete ich als 15-Jähriger beim Wahlkampf meines Vaters mit. Über meinen Vater erhielt ich in den Folgejahren wertvolle Einblicke in die Arbeit des Parlaments. Außer meinem Vater gehörte übrigens auch mein Bruder Karl eine Zeit lang als Abgeordneter dem Europäischen Parlament an. Seit 1996 habe ich als Sonderbotschafter Ungarn bei der EU-Integration unterstützend zur Seite gestanden und die Belange des Landes gegenüber der Union vertreten. 2005 begann ich in Brüssel für ein Büro zu arbeiten, das die Mitgliedsorganisationen des Roten Kreuzes bei der EU vertritt. Der Kontakt zur EU ist also alles andere als neu für mich. Ich sehe die unglaublichen Chancen, die im Europäischen Parlament liegen, wenn man die Möglichkeit hat, über Fraktions- und Ländergrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Mein Vater hat sich hervorragend darauf verstanden. Ich habe diesbezüglich viel von ihm gelernt. Ich sehe hier noch viel Potenzial für Ungarn. Daher habe ich auch gerne das Angebot des MDF angenommen. Gezählt hat für mich dabei auch, dass das MDF Mitglied der Europäischen Volkspartei ist. Ich könnte also in der gleichen Fraktion mitwirken, der früher mein Vater angehörte. Das hätte den Vorteil, dass ich in dieser Fraktion bereits viele Bekannte habe.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, als Listenzweiter überhaupt nach Brüssel zu kommen?

Wir sind am Anfang eines harten Wahlkampfes. Bisher halte ich es durchaus für möglich, dass ich es schaffe. Aber egal, wie das Endresultat auch ausfallen sollte, wenn mich in einem Jahr jemand fragt, was ich während der Krise für Ungarn getan habe, kann ich jetzt auf jeden Fall sagen: „Ich habe immerhin versucht, etwas zu unternehmen.“

Wenn es mit Brüssel nicht klappt: Könnten Sie sich vorstellen, im Inland   politisch tätig zu werden?

Ich habe kein Interesse, mich in Zukunft auf dem Gebiet der Innenpolitik zu exponieren. Auch nicht im Rahmen des bald nach den Europawahlen einsetzenden Wahlkampfes vor den hiesigen Parlamentswahlen. Mein Feld ist die Europapolitik. Ich kann mir momentan wirklich nicht vorstellen, was mich in die ungarische Innenpolitik bringen würde. Aber man soll in der Politik nie „Nie!“ sagen. Wenn man mir vor einem halben Jahr gesagt hätte, ich würde für das MDF auf der EU-Liste kandidieren, hätte ich es nicht für möglich gehalten.

Warum wollen Sie Ihrem in Not befindlichen Land nicht auch auf nationaler Ebene helfen?

Weil ich einfach nicht sehe, wo ich wirklich etwas bewegen könnte.

Sie könnten etwa beruhigend auf die vergiftete Atmosphäre einwirken!

Was man hier versuchen muss, ist, den Leuten den Blick für eine größere, etwa eine europäische Dimension zu öffnen. Aber das kann ich besser aus Brüssel. Die europäische Dimension ist eine Realität für Ungarn. Sie wird nur sehr oft verdrängt. Die Leute sehen immer nur die ungarnspezifischen Probleme. Sie sehen nicht, welche riesigen Potenziale für sie in der EU stecken. Deshalb werde ich – selbst wenn ich damit relativ einsam dastehe – in diesem Wahlkampf über Europa reden. Ich hoffe, mein Beispiel steckt an.

Wie sehen Sie Ungarn bisher in Brüssel vertreten?

Die Arbeit der ungarischen EU-Parlamentarier hätte durchaus verdient, in Ungarn eine stärkere Beachtung zu finden. Das Problem ist, dass sie über starre Parteilisten ins EU-Parlament gekommen sind. Die meisten Ungarn wissen nicht einmal, wer sie in Brüssel vertritt. Ich finde es schade, dass es den EU-Abgeordneten nicht gelungen ist, sich in Ungarn sichtbar zu machen. Das birgt wiederum die Gefahr in sich, dass sie den Kontakt zu ihren Wählern verlieren.

Wie erfolgreich ist Ungarn auf europäischer Ebene im Vergleich zu anderen Neumitgliedern bei der Durchsetzung seiner nationalen Interessen?

Ich glaube, dass der Eindruck täuscht, andere Neumitglieder würden ihre Interessen gegenüber der EU härter vertreten. Vielleicht rührt dieser Eindruck einfach daher, dass andere Länder in EU-Fragen mit markanteren Politikern und Themen aufwarten. Einen so schlagzeilenträchtigen EU-Gegner wie den tschechischen Präsidenten Klaus hat Ungarn glücklicherweise aber nicht.

Das Bloßstellen von Brüsseler Demokratiedefiziten ist doch nichts Schlechtes! Warum sollten sie nicht auch von ungarischen Politikern angesprochen werden?

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir in der ungarischen Öffentlichkeit überhaupt darüber debattieren könnten, was da eigentlich alles aus Brüssel kommt. Das Problem ist in Ungarn nur, dass die Bürger seit längerem so sehr von der ungarischen Innenpolitik in Beschlag genommen sind, dass der EU leider keine ihrer Bedeutung gemäße öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird. Ich glaube also nicht, dass Ungarn ein grundlegend anderes Verhältnis zur EU hat als beispielsweise Tschechien. Allerdings sind in Ungarn die Sichtbarkeit und die Wahrnehmung von Brüsseler Themen geringer. Dazu haben die hiesigen Medien nicht unwesentlich beigetragen.
Nichts gegen Ihre Nominierung – immerhin sind Sie ja auch kein Parteipolitiker! Aber hat nicht auch eine falsche Personalpolitik der Parteien zum Desinteresse der Bürger an der EU-Politik beigetragen? Als Beobachter kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass das EU-Parlament teils als Abstellgleis für Politiker fungiert, die zu Hause im Weg stehen und die auf diese Weise bequem „entsorgt“ werden können.

Absolut! Dieses Bild hat sich auch jetzt wieder bestätigt. Dass sich die Parteien beim Aufstellen ihrer Listen größtenteils von ihren Parteiinteressen leiten lassen, hat sicher auch etwas damit zu tun, dass sie die Wichtigkeit der EU einfach noch nicht erkannt haben. Das MDF war die erste Partei, die den Mut gehabt hat, mit Lajos Bokros einen ausgewiesenen Experten für Brüssel zu nominieren. Ibolya Dávid hat nicht einmal die dadurch ausgelöste parteiinterne Diskussion gescheut. Sie bestand darauf, zwei Leute an die Spitze ihrer Liste zu stellen, die zwar keine Parteimitglieder sind, dafür aber viel Europakompetenz haben.

Die Nominierung von Bokros ist umstritten und hat die Partei in eine schwere Krise gestürzt.

Bokros ist in diesem Land der einzige Krisenmanager, der sich in der Praxis erfolgreich bewährt hat. Das steht quer über die Parteigrenzen unbestritten da. Auch im Ausland hat er sich bewährt. So machte er sich beispielsweise in der Slowakei als einer der geistigen Väter der dortigen, rückblickend durchaus erfolgreichen Wirtschaftsreform  einen Namen, die übrigens von einer konservativen Regierung umgesetzt wurde. Außerdem ist Bokros eine völlig integre Persönlichkeit. Man kann ihn mit keinerlei Skandalen oder irgendwelchen Verfehlungen in Zusammenhang bringen. Und schließlich ist Bokros ein Mensch, der jedem offen ins Gesicht sagt, welche Reformen das Land braucht. Er nimmt keinerlei politische Rücksichten, er ist berechenbar. Und das ist es doch, was wir heute mit am dringendsten brauchen: Berechenbarkeit. In puncto Bokros-Nominierung und der anschließenden Diskussionen ist also noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Ist es nicht schade, dass der ausgewiesene Krisenmanager Bokros möglicherweise im Meer der EU-Parlamentarier verschwinden könnte?

Warum? Er kennt die ungarische Wirtschaft wie kaum ein zweiter. Er spricht sehr viele Sprachen. Er kennt unglaublich viele Leute. Er kennt die Region. Als Interessenvertreter von Ungarn und der Region wäre er eigentlich die ideale Besetzung.

Und als Ministerpräsident?

Auch das war ein mutiger Vorschlag von Frau Dávid! Schauen wir uns doch einfach mal die verschiedenen Optionen an! Das Beste wären natürlich vorgezogene Wahlen. Je eher, desto besser. In dieser Situation hat sich Ibolya Dávid für eine pragmatische Alternative entschieden. „Wir haben eine schwere Krise, also brauchen wir einen guten Krisenmanager“, hat sie kühl geschlussfolgert und Bokros als Nachfolger des amtierenden Premiers ins Spiel gebracht. Über die geringen Erfolgschancen ihrer Initiative war sie sich voll im Klaren. Auf jeden Fall kann sie aber jetzt mit ruhigem Gewissen in den Spiegel schauen und sagen „Ich habe es versucht!“.

Geben Sie Gyurcsány noch eine Chance?

Nein. Dafür hat er Ungarn zu sehr geschadet! Die Dimension der durch ihn verursachten Schäden wird man wohl erst später voll abschätzen können. Er hat das Fehlen von richtigen Reformen in diesem Land zu verantworten. Leute, die Reformen angepackt und dabei Fehler gemacht haben, kritisiere ich weniger hart als Leute, die erst gar keine Reformen angepackt haben. Es ist schlimm, wenn ein Land zum Stillstand kommt. Von Gyurcsánys lädierter Glaubwürdigkeit brauche ich wohl nichts zu sagen.

Wo sehen Sie in Ungarn den größten Reformbedarf?

Im Wesentlichen auf drei Gebieten. Zum einen würde ich einen knallharten Kampf gegen die Korruption befürworten. Nur so ist auch der allgemeinen Krise der Glaubwürdigkeit und des Wertesystems beizukommen. Das zweite wäre eine genauso drastische Reform der Institutionen. Sie müssen billiger und besser werden. Mit den durch diese beiden Maßnahmen eingesparten Steuergeldern sollte schließlich einer radikalen Steuerreform der Weg geebnet werden.

Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt würden dem Fidesz einen absoluten Wahlsieg bescheren. Halten Sie das für erstrebenswert?

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Ungarn für die Abarbeitung seines gewaltigen Reformstaus eine starke Regierung braucht. Ich bin davon überzeugt, dass Fidesz-Vorsitzender Orbán, wenn er denn den Willen zeigt, Reformen durchzusetzen, dafür auch viele Unterstützer finden wird – auch aus anderen Parteien. Schlecht für das Land wäre aber auf jeden Fall ein Zwei-Parteien-System. Das ist kontraproduktiv für die Qualität der Regierungsarbeit. Aber egal was passiert: Im Endeffekt ist und bleibt Ungarn eine Demokratie. Die Leute werden hier nach wie vor alle vier Jahre darüber abstimmen, wer für sie im Parlament sitzt. Deswegen ist sehr gefährlich, mit Versprechungen, die nicht einlösbar sind, Wahlkampf zu machen.

Die letzte Frage: Im Gegensatz zu Ihrem Vater scheinen Sie den Namenszusatz „von“ eher selten zu tragen. Warum?

Ich selbst verwende das „von“ überhaupt nicht. Es kommt auch in meinen beiden Pässen, dem österreichischen und dem ungarischen, nicht vor. Eigentlich brauche ich als ein Habsburg auch kein „von“. Wer mit Habsburg nichts anfangen kann, kann auch mit einem „von“ nichts anfangen. Immer wieder werde ich aber von anderen Leuten mit „von Habsburg“ angesprochen oder bei Veranstaltungen so angekündigt. Natürlich verbessere ich dann die Leute nicht oder streiche das „von“ weg. Schließlich ist es der historische Name.
Zur Person

Georg Habsburg (44) ist gebürtiger Bayer (Starnberg) und österreichischer sowie ungarischer Staatsbürger. Er ist der jüngste Sohn Otto von Habsburgs und seiner Frau Regina von Habsburg. In der Nachfolge als Oberhaupt des  Hauses Habsburg steht er hinter seinem Neffen Ferdinand Zvonimir an zweiter Stelle der Nachfolge seines Bruders Karl. Seit 1993 lebt er in Ungarn. Ende 1996 wurde er EU-Sonderbotschafter Ungarns. Seit Dezember 2004 ist er Präsident des Ungarischen Roten Kreuzes. Neben den wichtigsten westlichen Sprachen spricht er auch fließend Ungarisch.