2009. április 8., szerda

2.227 - WELT ONLINE - Germany > Ende der kommunistischen Komfortzone - Von Florian Hassel 8. April 2009, 17:39 Uhr

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Betreff: Google Alert - Politik – Ungarn

Ende der kommunistischen Komfortzone

 

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Von Florian Hassel 8. April 2009, 17:39 Uhr WELT ONLINE – Germany

 

Ungarn hat einen Sozialstaat aufgebaut, den es sich nicht leisten kann. Üppige Beamtengehälter, hohe Renten und staatliche Leistungen wie zu Zeiten des Kommunismus haben das Land an den Rand der Pleite getrieben. Jetzt plant der Not-Premierminister eine Radikalkur. Seine Ankündigungen klingen schmerzhaft.

Es ist nicht gerade ein Traumjob, den Gordon Bajnai am 14. April antritt. Wenn ihn das Parlament an dem Tag wie geplant zum neuen Regierungschef Ungarns wählt, erwarten den bisherigen Wirtschaftsminister viel Stress und Ärger, mit Glück ein Jahr Jobgarantie – und das Ganze ohne Bezahlung. Nur einen Forint Monatsgehalt, umgerechnet nicht einmal einen Cent, will sich Ungarns künftiger Premierminister genehmigen. Mit dem Gehaltsverzicht will Bajnai, der als Banker reich wurde, symbolisch klarmachen, dass seine Amtszeit eine Zeit der Opfer wird. Schon vor dem offiziellen Antritt hat der parteilose Kandidat, 41 Jahre alt und Vater zweier Kinder, „sofortige und schmerzhafte“ Einschnitte angekündigt: vom Gehaltsstopp für Beamte bis zu Kürzungen für Rentner und Familien.

Mit seinem Sparprogramm will der künftige Premier Bajnai eine Tradition wirtschaftlichen Schlendrians beenden. „In Ungarn haben der Staat und die Bevölkerung viele Jahre über ihre Verhältnisse gelebt“, sagt Julius Horvath, Wirtschaftsprofessor an der Central European University in Budapest.

Während Länder wie Polen oder Tschechien schon in den 90er-Jahren die von den Kommunisten übernommene Rundumversorgung der Bevölkerung abschafften, hielt Ungarn an ihr fest – und sattelte gar noch drauf. Vor der Wahl 2002 machten die oppositionellen Sozialisten eine Menge populistischer Wahlversprechen, um die konservative Fidesz-Partei aus der Regierung zu vertreiben. Nach dem Wahlsieg „haben die Sozialisten ihre Versprechen leider alle gehalten“, sagt Gábor Oblath von der ungarischen Nationalbank.

So verdoppelten sie das Gehalt aller Staatsdiener und führten neben einem 13. Monatsgehalt auch eine 13. Rente ein. „Es war eine desaströse Politik, die Ungarns Haushalt ruinierte“, sagt Experte Oblath. Noch 2006 leistete sich Ungarn mit 9,3 Prozent das höchste Haushaltsdefizit der EU. Die Staatsverschuldung schoss in die Höhe: von 52,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2001 auf voraussichtlich 79,5 Prozent in diesem Jahr, so die Ratingagentur Moody’s.

Der finanzpolitische Ruf der Regierung ist so angekratzt, dass Ungarn im Oktober 2008 auf einer Versteigerung seine zur Finanzierung des Haushalts notwendigen Staatsanleihen nicht mehr loswurde. Das Land stand vor der Zahlungsunfähigkeit. IWF, Weltbank und EU sprangen mit Krediten von 20 Mrd. Euro ein – freilich nur gegen die Verpflichtung, dass Ungarn sein Defizit auf 2,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verringert.

Nicht zuletzt wegen der katastrophalen Finanzpolitik war der nun zurücktretende Premier Ferenc Gyurcsány der unbeliebteste Regierungschef seit Ende des Kommunismus. Seinen Ruf verspielte er, als im September 2006 ein Tonband bekannt wurde, auf dem er zugab, die Ungarn „am Morgen, am Abend und in der Nacht“ über den Zustand der öffentlichen Finanzen belogen zu haben. Mit der Nominierung von Notpremier Bajnai wollen die regierenden Sozialisten, die in Umfragen nur noch bei 23 Prozent dümpeln, vorgezogene Neuwahlen vermeiden. Die nächste Wahl steht planmäßig erst 2010 an.

Der designierte Premier Bajnai will nun an der Spitze eines überparteilichen Expertenkabinetts das 13. Gehalt und die 13. Rente ab 2010 wieder streichen, das Rentenalter von 62 auf 65 anheben und den Mutterschaftsurlaub von drei auf zwei Jahre verkürzen. Außerdem plant er, das Kindergeld einzufrieren und weniger lange zu bezahlen, die Eigenheimzulage zum 1. Juli zu streichen und Zuschüsse zum öffentlichen Transport zu kürzen. Daneben sollen Subventionen für Staatsunternehmen ebenso zusammengestrichen werden wie Zuschüsse zur Energierechnung der Bürger.

Doch es ist fraglich, was Bajnai erreichen kann. Die oppositionelle Fidesz-Partei, die in den Umfragen bei 62 Prozent liegt und in Budapest bereits 25.000 Anhänger für vorgezogene Wahlen demonstrieren ließ, hat jede Unterstützung Bajnais ausgeschlossen. Zudem braucht das Land tief greifende Strukturreformen. „In Ungarn arbeitet offiziell nur gut die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung und zahlt Steuern – viel weniger als in Westeuropa, weniger auch als in Tschechien oder der Slowakei“, sagt Ökonom Horvath.

Das liegt auch daran, dass ein Unternehmer für 100 Euro, die er einem Arbeitnehmer an Gehalt auszahlt, rund 120 Euro an Steuern und Abgaben abführen muss – nach Belgien die höchste Abgabenlast aller 30 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Auch die Steuerlast für die Unternehmen selbst ist hoch. „Die Abgaben sind hoch, doch die ausgezahlten Gehälter niedrig und deswegen auch die Arbeitsmoral. Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung sind weit verbreitet“, sagt Horvath.

Ungarn hat immer noch viele notorisch ineffiziente Staatsbetriebe und verlustbringende städtische Unternehmen. Dazu kommt ein weiteres Erbe des Kommunismus: ein leichter, früher Übergang in die Rente. Von den zehn Millionen Ungarn sind drei Millionen Rentner. Deren Versorgung kostet den Staat schon heute mehr als ein Zehntel des Haushaltes. „Eine Regierung, die mit diesen schlechten Traditionen brechen und notwendige Reformen durchsetzen will, muss eine Regierung mit hoher öffentlicher Unterstützung sein. Die hat Ungarn heute nicht“, so Horvath.

Setzt die konservative Fidesz-Partei ihre hohen Umfragewerte in einen Wahlsieg um, könnte Ungarn eine solche Regierung bekommen. Noch vermeidet es die Partei, harte Wahrheiten gegenüber ihren potenziellen Wählern auszusprechen. Immerhin zeichnete sie sich in ihrer Regierungszeit von 1998 bis 2002 durch weitgehende Haushaltsdisziplin aus. Das haben die Wähler nicht vergessen. „Ich habe bisher die Sozialisten unterstützt, doch jetzt hoffe ich, dass Fidesz gewinnt und sie es besser machen“, sagt die 50 Jahre alte Marika Santa, die seit vierzehn Jahren ihr Geld als Obsthändlerin auf dem Budapester Lehel-Markt verdient. „In Ungarn muss sich etwas ändern. Viele Ungarn warten nur noch darauf, dass der Postbote mit dem Scheck vom Staat kommt.“

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