Aus der am vergangenen Mittwoch bekannt gegebenen Nachricht, dass der pakistanische Geheimdienst noch am 30. Mai Bombenanschläge gegen die Botschaften Ungarns, Dänemarks, Italiens, Norwegens, Schwedens, Tschechiens und Südafrikas in Islamabad vereiteln konnte, muss Ungarn vor allem eins lernen: Dass das Land nun auch auf der Landkarte der Terroristen aufgetaucht ist. Denn es ist klar, warum die islamistischen Bombenleger diesmal die „B-Promis“ unter den in Afghanistan gegen die Taliban kämpfenden Ländern (mit Ausnahme Südafrikas, das keine Soldaten in der Region hat) ins Visier genommen hat: Durch die immensen Sicherheitsvorkehrungen der im „Krieg gegen den Terror“ federführenden Staaten – USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland – ist es relativ schwierig geworden, Anschläge gegen sie zu verüben, sei es gegen Auslandsvertretungen oder in den Staaten selbst. Die anderen in Afghanistan und anderswo militärisch engagierten Länder hingegen haben sich bislang nur allzu gern im Schatten der „Großen“ ausgeruht und gedacht, Osama bin Ladens Männer wüssten gar nicht, wo Stockholm, Prag oder Budapest liegen. Symptomatisch für diese Haltung ist ein Blick auf den Stadtplan von Islamabad: Die Botschaften, die angegriffen werden sollten, liegen allesamt außerhalb des streng bewachten Botschaftsviertels. Keine Vorbereitung auf möglichen Anschlag Auch in Ungarn konnten sich Politik und Bürger darüber freuen, was sonst als Manko empfunden wird, nämlich, dass Ungarn „klein und unbedeutend“ sei und deswegen als Zielpunkt für Terroristen gar nicht in Frage käme. Damit ist es seit den verhinderten Anschlägen in Islamabad definitiv vorbei. Al-Kaida und Co. ist es offenbar nicht nur bekannt, dass es ein europäisches Land namens Ungarn gibt, das eine Botschaft in Pakistan unterhält, sondern auch, dass dieses Land im Irak-Krieg gekämpft und derzeit über 300 Soldaten in Afghanistan stationiert hat. Womöglich weiß man in den Höhlen in den afghanischen und pakistanischen Bergen auch, dass es nach heutigem Stand relativ einfach wäre, in der Budapester U-Bahn, dem Flughafen oder sonstwo im Land einen Anschlag mit mehreren Hundert Toten zu verüben. Erst vor einigen Wochen sagte der Leiter der Anti-Terror-Einheit der Nationalen Ermittlungsbehörde im Gespräch mit der Budapester Zeitung, dass seine Abteilung sich ausschließlich mit rechtsradikalem Terror befasse, da Ungarn derzeit nicht mit Islamismus konfrontiert sei.Mit einer Polizei, die bis heute nicht in der Lage ist, einen Maschinengewehrangriff auf ihr eigenes Hauptquartier im Jahr 2007 aufzuklären, sowie einem Geheimdienst, der von einem in NATO-Kreisen umstrittenen ehemaligen KGB-Akademiker und einem 29-jährigen Minister geleitet wird, der bislang sein großes fachpolitisches Talent vor allem in der Agrarpolitik unter Beweis gestellt hat, ist Ungarn also alles in allem schlecht auf eine mögliche Bedrohung vorbereitet, zumal die gut ausgebildeten islamistischen Terroristen in einer ganz anderen Liga spielen als die einheimischen Titelseitennazis vom Schlage eines György Budaházy. Hier müssen Gesetzgeber und Behörden rasch handeln, und zwar möglichst ohne eine weitere Einschränkung der Bürgerrechte, die im Rahmen des internationalen „Kampfes gegen den Terror“ ohnehin schon Einiges erleiden mussten. Hindukusch ist kein Spielplatz Auf der anderen Seite ist zu überlegen, ob der ISAF-Einsatz der ungarischen Streitkräfte in Afghanistan überhaupt noch sinnvoll und gerechtfertigt ist. Bislang sind sich die Parteien – mit Ausnahme von Jobbik, der Humanistischen Partei und der Kommunistischen Arbeiterpartei – einig, dass die ungarische Präsenz in Afghanistan wünschenswert ist. Wohlkalkulierte Anbiederung gegenüber den USA mischt sich hier mit einer merkwürdigen „Wir sind wieder wer“-Haltung. Dabei sollte sich Ungarn viel eher an die Worte von Außenminister Péter Balázs bei dessen Amtsantritt erinnern, wonach Ungarn das erste Mal seit langer Zeit von Verbündeten umgeben sei. Dies sollte Anlass zur Freude sein, anstatt nun die ungarischen Truppen mangels Alternativen in der Nachbarschaft in Afghanistan zu erproben. Der Sicherheit der ungarischen Bevölkerung wäre damit jedenfalls eher gedient als mit der vorgeblichen Verteidigung Ungarns am Hindukusch – mithilfe eines Krieges, den man ohnehin nicht gewinnen kann. Das wäre ein Zeichen wahrer Stärke. ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- |