2009. szeptember 23., szerda

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Aktuell - Mittwoch 23 September 2009 - Wahlen und Macht
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Einer von 400 Auslandskorrespondenten in Deutschland: Ahmet ...
Wie Auslandskorrespondenten den deutschen Wahlkampf sehen
Es fehlen Flut und Schröder

Der Bundestagswahlkampf 2009 ist für die Auslandskorrespondenten schwer zu verkaufen", so Regine Standke vom Verein der ausländischen Presse in Deutschland. Die Finanzkrise und innenpolitische Probleme überlagen die Bundestagswahl. Der Auslandspresse fehlt ein Schröder. Eine Umfrage von EurActiv.de unter Korrespondenten in Deutschland.

Kaum ein Unterschied

Das Interesse an Deutschland ist geringer geworden. „Das liegt an der Großen Koalition, an der Krise und daran, dass es keinen Schröder mehr gibt", erklärt Berlin-Korrespondent Peter Bild, freier Journalist beim BBC Radio. „Merkel gilt als kompetent, aber nicht aufregend. Steinmeier nimmt kaum jemand wahr", so beschreibt Bild den Eindruck, den die Engländer von deutschen Politikern haben. Einen großen Unterschied zwischen den Kanzlerkandidaten sehen die Briten jedenfalls nicht.

Wahl ist schon entschieden

Für die Franzosen ist die Wahl dagegen schon entschieden: Merkel wird bleiben. Und das sei auch das einzige, was zählt, erklärt die Korrespondentin Nathalie Versieux der französischen Tageszeitung Libération. Mit wem Angela Merkel letztlich koaliert, sei für Frankreich nicht relevant.

Die deutsch-französischen Beziehungen sind momentan konfliktfrei. „In Paris ist man erleichtert, dass Merkel und Sarkozy sich jetzt besser verstehen", so Versieux. Seit der Rechtradikalismus weitgehend aus Deutschland verschwunden ist, sei deutsche Politik jedoch nicht mehr sonderlich interessant für die Franzosen, gibt Versieux zu. Dieses Jahr drehe sich ohnehin alles um Obama.

USA zeigen kein Interesse

Und in den USA dreht sich ebenfalls alles um Obama und seine Regierung – jedenfalls nicht um Deutschland. Die Vereinigten Staaten sind ein eigenständiges Land, das sich nicht besonders für überregionale Themen interessiere, erklärt Don Jordan, US-Korrespondent in Bonn. „Von 300 Millionen Amerikanern interessieren sich vielleicht nur 5 Millionen überhaupt für das Ausland." Doch selbst auf internationalen Sendern wie dem CNN werde dem deutschen Wahlkampf wenig Aufmerksamkeit geschenkt, beobachtet Jordan.

Von Deutschland erwarte Washington eigentlich nur eins: uneingeschränkte Solidarität. Das verrät der amerikanische Korrespondent mit einem zwinkernden Auge. In der Praxis gehen die Erwartungen jedoch meist in die andere Richtung: auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh erwarten Sarkozy und Merkel, dass Obama einem internationalen Abkommen über eine Obergrenze für Bonus-Zahlungen zustimmt.

Schwierige Verhältnisse

Deutschland werde immer nur dann interessant, wenn es um die Wirtschaft geht. "Opel und Fiat haben in der italienischen Presse viel Platz eingenommen", sagt Alessandro Alviani aus Italien, Korrespondent für La Stampa und Apcom. Der deutsche Wahlkampf hingegen interessiere in Italien keinen. „Es gibt nur Langeweile, keine Skandale", lautet Alvianis Befund.

Das Verhältnis der Italiener zu Deutschland sei eher schwierig, so Alviani. In der deutschen Presse seien Berlusconi und Italien nicht weg zu denken. Umgekehrt bestehe dieses Interesse jedoch überhaupt nicht. Die Politik in Großbritannien und den USA interessiere die Italiener viel mehr.

Keine Aufreger

„Es fehlen die Aufreger", findet auch Rosalia Romaniec, Berlin-Korrespondentin für den polnischen Dienst der Deutschen Welle und den polnischen Sender TV Polonia. Die Menschen in Polen seien nicht nervös. „Auch von einer schwarz-gelben Koalition erwartet man in Polen keine bedeutenden Veränderungen", erklärt Romaniec. Westerwelle sei bekannt als ein Mann der Kontinuität.

„Polen ist von Obamas Verzicht auf den Raketenabwehr in Osteuropa schwer enttäuscht", sagt Romaniec gegenüber EurActiv.de. Umso wichtiger sei es, dass Deutschland die Ostintegration weiter vorantreibe. „Am liebsten würden die Polen eine Politik in der Tradition Genschers sehen: Osteuropa als unfertiges Projekt", so Romaniec. Von einer Regierungsbeteiligung der FDP erhoffe man sich auch am ehesten, dass auf weitere Übergangsfristen für Polen verzichtet werde.

Eigene Probleme

Innenpolitische Probleme im Entsenderland überdecken den deutschen Wahlkampf zusätzlich. In der Türkei etwa lenken die Beziehung zu Armenien und die Öffnung der kurdischen Grenze die Aufmerksamkeit der Medien voll und ganz auf das Binnengeschehen. „Trotzdem ist der Wahlausgang für die in der Türkei lebenden Türken und für türkischstämmige Deutsche von großer Bedeutung", ist sich der Berlin-Korrespondent der türkischen Zeitung Hürriyet, Ahmet Külahci, sicher.

Brennende Themen 

Die Türkei versucht schon seit Jahren, die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union aufzunehmen. „Den Menschen ist wohl bekannt, dass die SPD einer Aufnahme der Türkei eher gesinnt ist als die CDU", so Külahci. Ob die nächsten vier Jahre in Deutschland rot oder eher schwarz aussehen, ist für die Türkei also durchaus entscheidend.

Für die 1,7 Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland ist der Wahlausgang ebenfalls nicht zu unterschätzen. „Der Arbeitsmarkt und die Erziehung sind wichtige Themen für die türkische Bevölkerung", erklärt Külahci. 20 Prozent der in Deutschland lebenden Türken sind arbeitslos – in Berlin sind es sogar über 40 Prozent. Die Chancen türkischer Kinder, auf ein Gymnasium zu gehen, sind unterdurchschnittlich gering.

Nach Meinung von Tomas Lundin, Korrespondent für die schwedische Tageszeitung Svenska Dagbladet, sollte die Bundestagswahl auch für Schweden eine große Rolle spielen. Bei seinen Landsleuten sei das Interesse allerdings noch nicht angekommen. Das liege an der Inselmentalität der Schweden. Nicht einmal für sein Nachbarland Norwegen interessiere man sich wirklich, verrät Lundin gegenüber EurActiv.de.

"Furchtbar langweilig"...

Zudem sei der Wahlkampf nun einmal furchtbar langweilig und für die Medien schwer zu transportieren, so Lundin. "Bei der Wahl 2005 gab es mit der Agenda 2010 und mit Schröder noch einen Spannungsbogen - und vor allem einen 'farbigen' Politiker, der Emotionen geweckt hat."

Gerne blickt man in der Politik auf die Ränder. Vor einigen Jahren haben die Rechten in Deutschland weltweit für Medienrummel gesorgt. "Damals gab es ein übertriebenes Interesse: sobald zehn Demonstranten mit schwarzen Stiefeln aufmarschiert sind, wurde darüber berichtet", erinnert sich Lundin.

Heute ist das Interesse für die Linke längst nicht so intensiv. In Schweden stößt der Umgang mit der Linken auf wenig Verständnis. "Wir Schweden haben schon lange eine stubenreine Linke, die zumindest formell an der Regierung beteiligt ist", so Lundin.

...und dennoch spannend

Thematisch gibt der deutsche Wahlkampf nicht viel her, da ist man sich national und international einig. Für die Bevölkerung in Holland sei die Wahl in Berlin dennoch spannend, sagt Oene van der Wal, Berlin-Korrespondent aus den Niederlanden. Deutschland ist ein großer Nachbarstaat, mit dem die Niederland wichtige wirtschaftliche Beziehungen pflegt.

Um der Bevölkerung den Wahlkampf näher zu bringen, wird in den Medien stark personalisiert. "Alles dreht sich um Merkel und Steinmeier, auch wenn sie langweilig sind. Die Holländer kennen langweilige Politiker: unser Ministerpräsident zum Beispiel", erzählt van der Wal.

Das Fernseh-Duell zwischen den beiden Kanzlerkandidaten hält van der Wal freilich für Unsinn. Dem Zuschauer würde damit suggeriert, er wählt eine Person. „In Deutschland werden doch Abgeordnete gewählt, nicht Präsidenten wie in Frankreich und in den USA", wundert sich van der Wal. 

Vorbildfunktion

In Österreich kennt man die politischen Probleme des großen Nachbarn nur allzu gut: Mehrere Jahrzehnte in der Vergangenheit sowie auch seit 2008 wieder regiert die Große Koalition von Konservativen (ÖVP) und Sozialdemokraten (SPÖ). "Dass in Deutschland kaum jemand Lust hat, ein solches Bündnis fortzusetzen, versteht man in Wien nur zu gut", so die Berlin-Korrespondentin des "Standard", Birgit Baumann aus Österreich.

Was in Deutschland passiere, treffe auch die Österreicher. Denn was im großen Nachbarland umgesetzt wird, ist oft Vorbild für Österreich", so Baumann. Beispielsweise bei der Abwrackprämie oder der Regierungs-Garantie für Spareinlagen in der Wirtschafts- und Finanzkrise hat Deutschland als Vorbild für Österreich gedient.

Deutschland-Korrespondent Sudqi Hamdan von der kuwaitischen Nachrichtenagentur Kuna beobachtet die Bundestagswahl mit Interesse: "Der Blick aus der Wüste ist auf gute Beziehungen mit einer stabilen deutschen Regierung gerichtet." Die Hoffnungen der Kuwaitis: "Dass die deutsche Regierung die Finanzkrise in den Griff bekommt und die Wirtschaft ankurbelt." Diese Erwartungen seien jedoch nicht an eine bestimmte Partei gebunden, so Hamdan. "Wenn es Stabilität in Deutschland gibt, gibt es auch Stabilität bei uns".

Wichtigster Wirtschaftspartner

Für die meisten europäischen Nachbarstaaten ist Deutschland vor allem eins: wichtigster Wirtschaftspartner. Da verwundert es nicht, dass viele ihren Blick nur auf den deutschen Umgang mit der Finanzkrise richten. Ob die neue Regierung eine Koalition der Ampelfarben oder Schwarz-Gelb oder aber wieder eine Große Koalition wird, spielt für Ungarn keine große Rolle. "Hauptsache, der Wirtschaft geht es gut", erklärt der Korrespondent der ungarischen Zeitung Nepszabadsag, Andras Desi.

In Tschechien blickt man besonders gespannt auf die Atomenergie und die Krisenbewältigung in Deutschland. Die Tschechische Republik ist ein Atomkraftwerk-freundliches Land. Deshalb würden die meisten Tschechen wohl eine schwarz-gelbe Regierung befürworten, vermutet Zdenek Polák, Korrespondent der tschechischen Nachrichtenagentur CTK.

Mit Interesse verfolgen die Tschechen auch, wie Deutschland auf die Krise reagiert. Die Abwrackprämie erfreue sich in Tschechien großer Bekannheit - unter anderem, weil sie großen Einfluss auf den tschechischen Automobilhersteller Skoda hat, so Polák.

Luisa Jacobs
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