28.11.2007 | 18:18 | Von unserem Korrespondenten PETER BOGNAR (Die Presse)
Ungarn richtet eine eigene Stelle ein, damit riesige Defizite wie 2006 künftig vermieden werden.
Budapest. In den vergangenen Jahren hat Ungarn weit über seine Verhältnisse gelebt. Zwischen 2001 und 2006 hatten die rechtskonservativen (2001 bis 2002) und linksliberalen Regierungen (2002 bis 2006) des Landes schlechthin die Spendierhosen an. Die Folge: Das Budgetdefizit kletterte in astronomische Höhen. Im Vorjahr war es mit 9,2 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) mit Abstand das höchste in der EU.
Angesichts des riesigen Lochs im Staatssäckel sah sich die linksliberale Regierung von Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány 2006 gezwungen, ein rigides Sparpaket zu schnüren. Die budgetären Einschnitte blieben jedoch nicht ohne negative Auswirkungen. Als Resultat sackte nicht nur das ungarische Wirtschaftswachstum ab – im dritten Quartal 2007 betrug es nur noch ein Prozent des BIP –, auch schnellte neben dem massiven Rückgang der Kaufkraft die Inflation in die Höhe.
Um einer Entfesselung der Budgetdisziplin künftig ein für allemal vorzubeugen, legte die Regierung nun einen Gesetzesentwurf zur Schaffung einer so genannten „Gesetzgeberischen Haushaltsbehörde“ (TKH) vor. Zu den Aufgaben der Budgetaufsichtsbehörde würde nicht nur die Beurteilung der von den Regierungen eingereichten Budgetgesetzentwürfe zählen, sondern auch die Begutachtung der Gesetzesänderungsvorschläge. Darüber hinaus soll ihr die Billigung der Machbarkeitsstudien zu den Budgetentwürfen obliegen.
Präsident: Zwölf Jahre Amtszeit
Nach den Plänen der Regierung wird die TKH in ihrer personellen Zusammensetzung frei von jeglicher parteipolitischer Einflussnahme sein. Die Behörde soll in erster Linie dem parlamentarischen Haushaltsausschuss zuarbeiten und wird sowohl vom Finanzministerium als auch von der Notenbank unabhängig sein. Laut Vorschlag der Regierung wird die TKH 96 Mitarbeiter haben und über ein Budget in Höhe von 1,8 Mrd. Forint (rund 7,2 Mio. Euro) verfügen.
Der künftige Präsident der Budgetaufsichtsbehörde soll vom Parlament für eine Amtszeit von insgesamt zwölf Jahren gewählt werden. Nach den Vorstellungen der Regierung darf dieser allerdings vier Jahre vor seinem Antritt kein öffentliches Amt bekleiden. Dies lässt darauf schließen, dass der Präsident der geplanten TKH voraussichtlich aus der akademischen Welt kommen wird.
Die parlamentarische Opposition zeigte sich gegenüber den Plänen der Regierung offen. Auch die ungarische Notenbank begrüßte die geplante Aufstellung einer Budgetaufsichtsbehörde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2007)