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Subject: Ungarische Politik
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„Ich verstehe, wenn die Deutschen uns auf die Finger schauen" BILD Sollen etwa ausländische Firmen jetzt für die politischen Fehler Ungarns zahlen? Orban: Das stimmt so nicht. Hätten wir nur auswärtige Konzerne besteuern ... Alles zu diesem Thema ansehen » |
Ministerpräsident Viktor Orban (47) in seinem Amtszimmer in Budapest
Ungarns Ministerpräsident Orban „Ich verstehe, wenn die Deutschen uns auf die Finger schauen"
2. Teil des grossen BILD-Interviews
BILD: Der Beginn Ihrer EU-Ratspräsidentschaft wird von einer schweren Krise des Euro überschattet. Wird der Euro überleben?
Orban: Ja. Es gilt, innerhalb der nächsten sechs Monate den Euro zu retten und eine neue Form der gemeinsamen Wirtschaftspolitik in Europa zu finden. Das ist die entscheidende Hürde für den Fortbestand der EU. Ich kann sagen: Europa wird sich dabei erneut auf Ungarn verlassen können!
Orban: Lassen Sie mich klarstellen: Nicht der Euro steckt in der Krise! Es sind die Schulden einzelner, souveräner Staaten, die den Euro bedrohen. Diese Schulden müssen wir in den Griff bekommen. Letzte Woche erst haben wir bei uns eine Flasche Sekt aufgemacht und auf das Wohl Portugals angestoßen...
BILD: Rating-Agenturen schätzen auch Ungarns Zukunft skeptisch ein, Sie selbst haben von einem drohenden Staatsbankrott gesprochen. Wie will Ihr Land die Wende schaffen und verhindern, dass Ungarn zu einem zweiten Griechenland wird?
Orban: Im Juni vergangenen Jahres sah es tatsächlich schlimm aus. Damals gehörte Ungarn zu den meistgefährdeten Ländern. Aber die Gefahr haben wir abwenden können. Inzwischen haben wir vor allem unser Rentensystem, das weitgehend aus Staatskrediten finanziert wurde, komplett reformiert. Und die Geldmärkte werden aus Ungarn noch eine weitere Überraschung erleben: Denn wir zahlen gewaltige Kredite des Internationalen Währungsfonds zurück. Dadurch wird schon im Februar/März unsere Staatsverschuldung von jetzt 80 % des Bruttosozialprodukts auf 72 bis 73 % gesenkt. Glauben Sie mir, Europa wird sich noch wundern, was Ungarn alles kann.
BILD: Dennoch bleibt gerade in Deutschland das Gefühl, dass wir immer wieder die Zahlmeister Europas sind.
Orban: Und das kann ich gut verstehen! Natürlich kann es auf Dauer nicht funktionieren, wenn in einem Zimmer des Hauses Europa Sauberkeit und Ordnung herrschen, während im Nachbarzimmer alles unordentlich und schmutzig herumliegt. Da wollen die Deutschen nicht auch noch für die Putzkolonne bezahlen! Ungarn gehörte leider allzu lange zu den Hausbewohnern, die ihr Zimmer nicht aufräumen und Dreck machen. Genau das will ich ändern. Und ich verstehe gut, wenn uns die Deutschen dabei kritisch auf die Finger schauen.
BILD: Seit 2004 ist Ungarn EU-Mitglied – wie hat die EU Ungarn verändert?
Orban: Weniger, als ich erhofft habe. Leider fiel unser Beitritt in die wirtschaftlich schlechtesten Jahre meines Landes. Ungarn ist das einzige Beitrittsland, in dem nach der Aufnahme durch die EU die Wirtschaft nicht gewachsen, sondern geschrumpft ist. Nicht die EU war daran schuld, sondern die miserable Wirtschaftspolitik der damaligen ungarischen Regierung.
BILD: Um Ihre Haushaltslöcher zu stopfen, haben Sie eine „Krisensteuer" eingeführt, die vor allem ausländische Konzerne belastet. Sollen etwa ausländische Firmen jetzt für die politischen Fehler Ungarns zahlen?
Orban: Das stimmt so nicht. Hätten wir nur auswärtige Konzerne besteuern wollen, dann hätten wir auch einen Weg dazu gefunden. Richtig ist: Wir besteuern Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation, Einzelhandel und Energie, darunter auch große ungarische Unternehmen, die ebenso zahlen müssen wie ausländische Firmen. Industrieunternehmen und besonders produktive Betriebe werden dagegen von der Steuer gar nicht erfasst.
BILD: Dennoch verschrecken Sie einflussreiche Konzerne in Europa. Wie wollen Sie das Vertrauen der Investoren in Ungarn wiederherstellen?
Orban: Durch den engen Kontakt zu den Unternehmen. Diese Steuern sind ja zunächst auf drei Jahre beschränkt. Und wir werden mit den betroffenen Firmen darüber sprechen, wie die Steuern ausklingen sollen. Das Vertrauen in unsere Wirtschaft ist nach wie vor sehr groß. Das liegt nicht zuletzt an unserer neuen Flat-Tax-Regel: 16 % Einkommenssteuer für alle, 10 bis maximal 19 % Körperschaftsteuer für Unternehmen. Darum beneiden uns viele in Europa und es wird eine wahre Investitionswelle auf uns zukommen. Im kommenden Jahr wird allein durch deutsche Großinvestoren unsere Wirtschaft um zwei Prozent wachsen.
BILD: Wie stehen Sie zum EU-Beitrittskandidaten Türkei?
Orban: Mit der Türkei werden wir weiter Verhandlungen führen, auch wenn viele Fragen der Zusammenarbeit noch unbeantwortet sind, weil wir in Europa noch völlig uneins sind, wie die EU mit der Türkei verbunden sein will. Aber meiner Meinung nach kommt ein strategisches Bündnis mit Russland schneller zustande als eine Einigung über das Verhältnis der Türkei zur EU.
BILD: Sie kennen Deutschland gut: Welche deutschen Politiker sind für Sie ein Vorbild?
Orban: Persönlich haben mich drei Politiker sehr gefördert: Ex-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, von dem ich viel gelernt habe. Dann Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, der mir die Idee zu unserer Flat-Tax vermittelt hat, nach der man nun seine Steuererklärung auf einem Bierdeckel machen kann. Und ganz besonders Ihr ehemaliger Bundeskanzler Helmut Kohl, den ich als echtes Vorbild ansehe. Die Deutschen können sich glücklich schätzen, diesen Mann im entscheidenden Moment an der Spitze des Staates gehabt zu haben. Kohl war 1989/90 ein Staatsgründer ähnlich wie Otto von Bismarck. Er hat Ostdeutschland zurückgeholt, ohne Menschenopfer und mit der Unterstützung Europas. Das hätte außer ihm niemand geschafft.