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2010. március 5., péntek

4.849 - "Politik hat sich von den Menschen entfernt"

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Ungarischer Sozialist: „Politik hat sich von den Menschen entfernt“

05.03.2010 | 16:44 |  Von Peter Bognar  (DiePresse.com)

Attila Mesterházy, der Spitzenkandidat der ungarischen Sozialisten, im „Presse“-Gespräch über die politische Polarisierung in seinem Land, Fehler seiner Partei und Probleme seines Gegners mit der Demokratie.

Die Presse: Vor anderthalb Jahren steuerte Ungarn auf den Staatsbankrott zu. Die von den Sozialisten gestützte Regierung von Gordon Bajnai vermochte das Steuer aber noch herumzureißen. Wie beurteilen Sie den heutigen Zustand der ungarischen Wirtschaft?

Attila Mesterházy: Vor einem Jahr noch hatten internationale Wirtschaftsforschungsinstitute Zweifel, ob Ungarn überhaupt fähig sein werde, aus der wirtschaftlichen Misere herauszukommen. Heute herrscht unter in- und ausländischen Analysten die Meinung vor, dass Ungarn die Krise erfolgreich gemeistert hat. Die positive internationale Beurteilung des ungarischen Krisenmanagements ist nicht zuletzt daran abzulesen, dass das krisengeschüttelte Griechenland Ungarn als Richtschnur beim Kampf gegen die Krise betrachtet. Wird die verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik der Regierung Bajnai also fortgesetzt, werden wir in den kommenden Jahren wieder ein Wirtschaftswachstum von drei bis vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes haben. Dies wiederum wird eine gute Basis dafür sein, um die so notwendigen strukturellen Reformen in Angriff zu nehmen. Bisher war es leider so, dass die Reformversuche immer von Sparmaßnahmen begleitet wurden, weshalb verständlicherweise die Unterstützung der Gesellschaft fehlte.

Ein Grund für die fehlende Unterstützung der Gesellschaft wird wohl auch darin liegen, dass die politische Klasse seit Jahren konsensunfähig ist. Das hat das Vertrauen der Gesellschaft in die Politik schwer erschüttert. Wie sehen Sie das?

Mesterházy: Es gibt keinen anderen Weg, als eine neue politische Kultur zu kultivieren. Es muss doch möglich sein, dass die maßgeblichen politischen Kräfte in nationalen Grundfragen auf einen gemeinsamen Nenner gelangen. Und es muss auch Schluss damit sein, es als Schwäche anzusehen, wenn wir mit unserem politischen Gegner in gewissen Fragen übereinstimmen. Die Parteien sollten auch damit aufhören, den Wählern vor jeder Wahl Versprechungen zu machen, die sie später nicht einlösen können. Wir müssen die Menschen endlich als Erwachsene behandeln und ihnen Lösungen anbieten, die wirklichkeitsbezogen sind. Die Politik hat sich meiner Ansicht nach allzu sehr von den Alltagsproblemen und -bedürfnissen der Menschen entfernt. Aus der heillosen Polarisierung des politischen Lebens in Ungarn aber vermag nur eine junge Generation von Politikern auszubrechen, die frei ist vom Ballast der Vergangenheit. Für mich zum Beispiel ist jemand nicht automatisch unsympathisch, nur weil er zu den oppositionellen Jungdemokraten angehört. Wenn auch nicht Freunde, so habe ich doch Bekannte in den Reihen der Jungdemokraten mit denen ich ab und zu ein Bier trinken gehe.

Die Sozialisten sind seit 2002 am Ruder. Welche Erfolge konnte Ihre Partei in den vergangenen acht Jahren an der Regierung erreichen?

Mesterházy: Erfolgreich waren wir mit Sicherheit beim Abrufen von EU-Fördergeldern für Infrastrukturprojekte. Dadurch konnten wir den Alltag vieler Menschen verbessern. Obwohl das Allgemeinbefinden im Land wegen der Weltwirtschaftskrise heute eher schlecht ist, möchte ich darauf hinweisen, dass zwischen 2001 und 2008 das ungarische Lebensniveau gestiegen ist. Das Durchschnittseinkommen und die Renten haben sich in dieser Zeit verdoppelt. Auch die Sozialausgaben sind massiv gestiegen. Als Erfolg werte ich selbstverständlich auch das vorhin angesprochene Krisenmanagement, mit dem wir, wenn auch unter großen Opfern, die Grundlage für ein wettbewerbsfähiges und stabiles Ungarn geschaffen haben.

Und was haben die Sozialisten in den acht Jahren an der Regierung falsch gemacht?

Mesterházy: Es war sicher nicht richtig, dass wir nach unserem Wahlsieg im Jahr 2002 die sozialen Ausgaben aus dem Ruder haben laufen lassen. Die Erhöhung der Einkommen der öffentlich Bediensteten und die Einführung der 13. Monatsrente waren vom Budget her nicht gedeckt. Ich möchte jedoch betonen, dass unsere Zielsetzung richtig war, es hat nur das richtige Maß gefehlt. Als falsch betrachte ich auch unser Vorgehen bei der Umsetzung von Reformen in der laufenden Legislaturperiode. Wir dachten anfangs, dass die Ergebnisse für sich sprechen und die Reformen rückwirkend legitimieren würden. Aus heutiger Sicht war es natürlich ein großer Fehler, die Menschen nicht auf die fundamentalen Veränderungen vorzubereiten. Noch dazu haben wir parallel zu den Reformen eine rigide Sparpolitik verfolgt, was zur Folge hatte, dass uns die gesellschaftliche Unterstützung versagt blieb. Es ist hier aber auch wichtig zu erwähnen, dass die oppositionellen Jungdemokraten alles taten, um die mit den Reformen einher gehende Verunsicherung der Bevölkerung populistisch auszuschlachten und die Emotionen anzuheizen.

Inwiefern stellt Ex-Regierungschef Ferenc Gyurcsány eine Hypothek für Ihre Partei dar? Die Frage bezieht sich in erster Linie auf seine berüchtigte „Lügenrede” im Jahr 2006, als er eingestand, dass die regierenden Sozialisten die Wähler jahrelang belogen hatten. Laut konservativer Opposition hat Gyurcsány in Ungarn damals eine „moralische Krise” ausgelöst, die bis heute nicht abgeklungen ist.

Mesterházy: Die Jungdemokraten nehmen Gyurcsány deshalb noch immer unter Beschuss, um ihre Wähler zu mobilisieren. In ihren Augen ist er der Inbegriff des Bösen. Inhaltlich stimme ich übrigens mit der damaligen Rede Gyurcsánys überein. Denn was hat dieser gesagt: Dass das nationale Interesse vor den Interessen der Parteien und einzelner Politiker Vorrang habe und die Politik endlich daran gehen müsse, den Bürgern reinen Wein einzuschenken, statt ihre Illusionen zu nähren.

Von der Opposition werden die Sozialisten als Hort der Korruption bezeichnet. Ist Ihre Partei wirklich so korrupt?

Mesterházy: In jeder Parlamentspartei gab es in den vergangenen zwanzig Jahren korrupte Politiker. Gerade deshalb haben wir in der laufenden Legislaturperiode mehrere Gesetzesvorschläge im Parlament vorgelegt, mit denen wir der politischen Korruption einen Riegel vorschieben wollten. Diese Vorschläge wurden von den Jungdemokraten aber allesamt abgeschmettert. Noch einmal: Es gibt in jeder Partei korrupte Politiker. Ich verwahre mich aber entschieden gegen den Vorwurf, dass meine Partei als Kollektiv korrupt sei. Meiner Meinung nach ist eine Partei in Sachen Korruption dann glaubwürdig, wenn sie alle korrupten Elemente ausstößt. Und das tun wir.

Laut den Meinungsumfragen werden die Sozialisten bei den Wahlen eine historische Niederlage erleiden. Welches Wahlergebnis haben sie sich zum Ziel gesetzt?
Mesterházy: Wir werden für eine Überraschung sorgen und die heutigen Prognosen Lügen strafen.
Sind Sie ein Zweckoptimist?

Mesterházy: Unser Ziel kann nur der Wahlsieg sein. Stellen sie sich eine Fußballmannschaft vor, die mit der Einstellung auf den Platz geht, dass das Ergebnis egal ist. Das wäre doch absurd.

Was kommt auf das Land zu, wenn Ex-Regierungschef Viktor Orbán und die Konservativen ans Ruder gelangen?

Mesterházy: Orbán hat in einer Rede, die vor kurzem veröffentlicht wurde, unverhohlen gesagt, dass er ein Einparteiensystem bevorzuge, das frei sei von überflüssigen parteipolitischen Wertedebatten. Von einem Revanchismus angetrieben, droht Orbán den Sozialisten auch, mit ihnen abzurechnen und viele ihrer Politiker hinter Gitter zu bringen. Ich denke, dass solche Bestrebungen nichts mit Demokratie zu tun haben.

Befürchten Sie auch, dass Orbans Jungdemokraten künftitg mit der rechtsradikalen Partei Jobbik zusammenarbeiten könnten?

Mesterházy: Die Jungdemokraten haben ihr Verhältnis zur rassistischen Jobbik bisher nicht geklärt.  In zahlreichen Lokalverwaltungen sitzen Fidesz und Jobbik nämlich in einem Boot. Viktor Orbán hat Jobbik einmal sogar als Gemeinschaft ehrlicher junger Leute mit ausgeprägtem Nationalgefühl bezeichnet. Obendrein waren Orbán und Jobbik-Chef Gábor Vona Mitglieder desselben Bürgerkreises. Ziehen die Jungedemokraten keine scharfe Grenze zu Jobbik, entziehen sie sich  dem Kreis der demokratischen Parteien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)