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Haushoher Favorit lässt politische Ziele im Dunkeln
Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann Wiener Zeitung
Handlungsspielraum nach Finanzkrise eingeschränkt.
Budapest. Auf den ersten Blick wirkt die Person Viktor Orbán merkwürdig unscheinbar – die biografischen Eckdaten jenes Mannes, der mit hoher Wahrscheinlichkeit Ungarns nächster Ministerpräsident sein wird, nehmen sich unspektakulär aus.
Geboren wurde Orbán am 31. Mai 1963 im westungarischen Székesfehérvár. Er studierte Rechtswissenschaften in Budapest und erhielt 1989 ein Stipendium für Oxford. Er ist in erster Ehe mit Anikó verheiratet, die beiden haben fünf Kinder. 1988 gehörte Orbán zu den Mitbegründern des Fidesz, deren Vorsitzender er seit 2003 wieder ist. Von 1998 bis 2002 war er ungarischer Ministerpräsident. Bei den Parlamentswahlen 2002 und 2006 unterlag er gegen die sozialistischen Kandidaten Péter Medgyessy und Ferenc Gyurcsány.
Über Fakten allein lässt sich kaum erklären, warum Viktor Orbán die politische Szene in Ungarn seit zwei Jahrzehnten wesentlich prägt. Für manchen ist Orbáns Fidesz allein schon ob seiner Langlebigkeit die einzige wirkliche Partei unter all den politischen Vereinigungen, die im Zuge der Transformation in Mittel- und Osteuropa entstanden. Diese Stabilität hänge wesentlich an der Person Orbáns, sagen viele in Ungarn.
Legendäre Rede bei Nagy-Umbettung
Für andere wiederum ist es Orbáns Fähigkeit, im entscheidenden Moment in Erscheinung zu treten, die ihn zu einer Konstanten des politischen Ungarn macht. So war es Orbán, der am 16. Juni 1989 bei der sogenannten Umbettung des 1958 wegen der Duldung des Ungarischen Volksaufstands von 1956 hingerichteten Ministerpräsidenten Imre Nagy in einer siebenminütigen Rede all jene politischen Veränderungen forderte, nach denen sich Millionen von Menschen sehnten, darunter den Abzug der russischen Truppen.
Heute erweist sich Orbán als lernfähig, wenn er sich als Mann darstellt, mit dem jeder etwa über Facebook in Kontakt treten kann. Als Regierungschef wurde ihm oft vorgeworfen, zu arrogant und damit wenig volksnah aufzutreten. Vor allem Journalisten verübelten ihm das offenkundige Desinteresse an einem kontinuierlichen Dialog mit der Öffentlichkeit. All das erschwerte nach seiner Abwahl noch auf Jahre eine Normalisierung seines Verhältnisses zu den Medien. Mittlerweile wirkt er im Umgang mit Medien jedoch voll auf der Höhe der Zeit, wenn er etwa mit den Ungarn im Online-Chat des Boulevardblattes "Blikk" kommuniziert.
Bei aller angestrebten Bürgernähe bleibt aber geradezu merkwürdig im Dunkeln, was ein neuerlicher Premier Orbán eigentlich politisch erreichen will. Er werde sich auf den Kampf gegen Korruption und Arbeitslosigkeit, die soziale Sicherheit und Familien konzentrieren, sagt er selbst vergleichsweise allgemein. Orbán könne nicht viel mehr versprechen, wenn er auch nach den Wahlen glaubwürdig sein wolle, beschwichtigen seine Anhänger. Erst einmal müsse ein Kassensturz her, um zu sehen, was die Sozialisten angerichtet hätten.
Orbán könne kaum Versprechen abgeben, die sich wesentlich von denen der Sozialisten unterschieden, meinen hingegen Kritiker. Wegen der Budgetkrise und der ausländischen Milliardenkredite vom Herbst 2008 sei die ungarische Politik ohnehin bis auf weiteres von den internationalen Geldgebern vorgegeben.
In dieser Situation scheint ein Wahlsieg für Viktor Orbán fast das Leichteste. Weitaus größer ist das, was Orbán-Vertraute die eigentliche Herausforderung nennen, zumal die Schlappe von 2002 bis heute an Orbán nagt: Er will und muss sich als Mann profilieren, dem die Ungarn dauerhaft vertrauen und den sie deshalb 2014 wiederwählen.
Ungarns Rechte greift nach sicherem Sieg
Printausgabe vom Dienstag, 06. April 2010 Online seit: Montag, 05. April 2010 17:14:00