Die neue Regierungsmannschaft von Viktor Orbán ist beisammen. Der Regierungschef in spe stellte am Montag vergangener Woche die acht Minister seines künftigen Kabinetts vor. Neben neuen Gesichtern sind auch einige alte Bekannte aus der ersten Regierung Orbán unter den Kabinettsmitgliedern zu finden. Was ins Auge sticht, ist die geringe Zahl an Ministerien. So wenige Minister wie in der künftigen Mitte-Rechts-Regierung hat es seit der Wende vor zwanzig Jahren nicht gegeben. Allerdings werden die acht Ministerien mit einer Vielzahl von Staatssekretären – insgesamt rund 30 – bestückt sein. Bei der Präsentation seiner Minister betonte Orbán, dass die nächste Regierung eine Politik der „nationalen Interessen" verfolgen werde. Die neuen Minister werden weitreichende Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse haben: „Ich habe Personen ausgewählt, von denen niemand glaubt, dass sie meine Untergebenen sind", sagte Orbán. Das Kabinett des Ministerpräsidenten wird künftig von Mihály Varga in der Funktion eines Staatssekretärs geleitet. Varga war in der ersten Regierung Orbán Finanzminister. Das Ministerium für öffentliche Verwaltung und Justiz wird der bisherige Fraktionsvorsitzende des Fidesz, Tibor Navracsics, lenken. Navracsics wird außerdem einer der beiden Stellvertreter von Premier Orbán sein und die Arbeit der Regierung koordinieren. Zweiter Stellvertreter Orbáns und der Verantwortliche für die Nationalitäten- und Religionspolitik wird Zsolt Semjén sein. Semjén ist Vorsitzender der Christdemokratischen Volkspartei (KDNP), der Schwesternpartei des Fidesz. Wie schon in der ersten Regierung Orbán werden den Ministerien für Inneres und Äußeres Sándor Pintér und János Martonyi vorstehen. Pintér war zwischen 1991 und 1996 Landespolizeichef, später leitete er Firmen im Sicherheitsdienstbereich, seit 2004 ist er Mitglied des Vorstands der OTP-Bank. Martonyi war in der letzten kommunistischen Regierung unter Miklós Németh Regierungsbeauftragter für Privatisierung. Zwischen 1991 und 1994 war er im Außenministerium Staatssekretär. Später leitete er eine internationale Anwaltskanzlei. Das Ministerium für Volkswirtschaft, das die Aufgaben der bis-herigen Ministerien für Finanzen und Wirtschaft versehen wird, wird György Matolcsy lenken. Auch Matolcsy war schon in der ersten Regierung Orbán als Wirtschaftsminister tätig. Der Ökonom stand seit der Wende an der Spitze mehrerer Wirtschaftsforschungsinstitute. Im Jahr 1994 war Matolcsy sogar Mitglied des Direktoriums der in London ansässigen Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Dem Ministerium für Nationale Entwicklung wird der Unternehmer und Medienmagnat Tamás Fellegi (Heti Válasz, Lánchíd Rádió, Class FM) vorstehen. Fellegi ist einer der Gründerväter des politikwissenschaftlichen Periodikums Századvég. Zwischen 1993 und 1994 war er auch ein Berater Orbáns. Das Ministerium für Nationale Ressourcen, welches das Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen sowie die Bereiche Kultur und Sport unter einem Dach vereinen wird, wird der international renommierte Anatomieprofessor Miklós Réthelyi leiten. An der Spitze des Ministeriums für Regionalentwicklung wird der Jurist und langjährige Bürgermeister der ostungarischen Stadt Karcag, Sándor Fazekas, stehen. Das Ministerium für Verteidigung schließlich wird Csaba Hende leiten. Hende gilt als enger Vertrauter Orbáns. Hende trat im Jahr 2004 aus dem Ungarischen Demokratischen Forum (MDF) aus und kurz darauf dem Fidesz bei. Erwartungsgemäß äußerten die Vertreter der künftigen Oppositionsparteien an der neuen Regierungsstruktur Kritik. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten (MSZP), Attila Mesterházy, gab zu bedenken, dass wie schon in der ersten Regierung Orbán wieder ein Jurist – in der Person von Sándor Fazekas – das Landwirtschaftsministerium leiten wird. Zwischen 1998 und 2001 stand József Torgyán dem damaligen Ministerium für Landwirtschaft und Regionalentwicklung vor. Mesterházy kritisierte auch, dass mit Tamás Fellegi ausgerechnet ein „Oligarch" mit dem Kampf gegen die Oligarchen beauftragt worden sei. Im Hinblick auf die künftigen Aufgaben von Fellegi hatte Viktor Orbán am Montag unter anderem den „Kampf gegen die Oligarchen" genannt. Der Sprecher der grünen Partei LMP, Benedek Jávor, sagte, dass innerhalb der „konglomeratartigen" Ministerien einzelne Fachgebiete nicht genügend Gewicht und Aufmerksamkeit bekämen. Jávor nannte hierbei die Umweltpolitik, die eine untergeordnete Rolle im Landwirtschaftsministerium spielen werde. Der zukünftige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der rechtsradikalen Partei Jobbik, Tamás Hegedûs, kritisierte ebenfalls, dass der Umweltschutz für die neue Regierung kaum Bedeutung hätte (siehe Artikel rechts). Positive Worte fand Hegedûs dagegen für das Programm von Wirtschaftsminister György Matolcsy. Laut Hegedûs seien darin „viele Elemente" zu finden, die mit dem Wirtschaftsprogramm von Jobbik im Einklang seien. Der Forschungsdirektor des Fidesz-nahen Politikforschungsinstituts Nézõpont, Ágoston Sámuel Mráz, erklärte gegenüber der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet, dass die neue Regierungsstruktur ein effektiveres und friktionsfreieres Regieren verspricht als bisher. Der Politologe bekräftigte zudem, dass die Senkung der Zahl der Ministerien nicht automatisch die Vernachlässigung eines Bereichs, beispielsweise der Umweltpolitik oder des Bildungswesens, bedeute. Die geringere Zahl an Ministerien entspricht überdies dem Versprechen eines schlankeren und billigeren Staates, so der politische Analyst.
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