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Gesendet: péntek, 2009. április 10. 14:37
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Betreff: Ungarn
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Die Krise treibt Ungarn nach rechts
9. April 2009 | 17:12 | | Stephan Ozsváth (SN, n-ost).
Radikalisierung. Eine politische Bewegung am rechten Rand ist erfolgreich mit Antisemitismus und Rassismus.
„Es wird wehtun.“ Mit diesen Worten stimmt der designierte Ministerpräsident Gordon Bajnai die Ungarn auf sein Sparprogramm ein. Der 41-jährige Wirtschaftsfachmann hat dem Land verordnet, den Gürtel enger zu schnallen. So will er den etwa zwei Millionen Rentnern die dreizehnte monatliche Zahlung streichen. Auch die rund 700.000 Staatsbediensteten müssen auf ihr dreizehntes Monatsgehalt künftig verzichten – jeder sechste Ungar ist davon betroffen. Löhne und Gehälter sowie Familien- und Kinderzulagen sollen für zwei Jahre eingefroren werden. Bei den staatlichen Heizkostenzuschüssen setzt Bajnai ebenfalls den Rotstift an. Mit seinem Programm will Bajnai den Haushalt um gut drei Milliarden Euro entlasten.
Die Ungarn müssten sich entscheiden, empfahl der Krisenmanager, „ob noch Tausende Jobs verloren gehen oder ob sie ein paar Prozent ihres Einkommens abgeben“. Ohnehin hat das Land keine andere Wahl. Schließlich hat der Internationale Währungsfonds (IWF) den Milliardenkredit, den er Ungarn im vergangenen Herbst gewährte, an Bedingungen geknüpft: sparen, sparen, sparen. Um das Land vor dem Staatsbankrott zu bewahren, hatten IWF, Weltbank und EU einen Kredit von 20 Milliarden Euro gegeben.
„Die Zeche zahlen die kleinen Leute“, sagt eine Frau, die in Budapest kurz vor Ostern mit Zehntausenden Regierungsgegnern für vorgezogene Neuwahlen demonstriert. Ein anderer Demonstrant räumt ein, „dass es wohl keine wesentlich besseren Ideen gibt, um die Probleme zu lösen“.
Während sich die Demonstranten auf dem Heldenplatz in der Budapester Innenstadt versammeln, versuchen die regierenden Sozialisten im Kongresszentrum am anderen Ende der ungarischen Hauptstadt ihre Macht zu retten. Sie stellen sich hinter die Radikalkur Bajnais. Der soll bis zu den regulären Wahlen in einem Jahr die Minderheitsregierung führen.
Sündenböcke sind jetzt Minderheiten wie Roma und Juden. Der Holocaust-Überlebende Ervin Lazarovics berichtet, dass seit der Wende die jüdischen Gemeinden immer mehr Hassbriefe bekommen und Friedhöfe geschändet werden. „Der Geist des Antisemitismus ist aus der Flasche“, sagt der Auslandsbeauftragte des Verbands der ungarischen jüdischen Gemeinden MAZSIHISZ. Selbst der Schriftstellerverband sorgte mit entsprechenden Ausfällen für Negativschlagzeilen. Namhafte Autoren wie Péter Esterházy traten daraufhin aus dem Verband aus. Regelmäßig veröffentlicht indes der Publizist Zsolt Bayer in der konservativen Tageszeitung „Magyar Nemzet“ antisemitische Hetzartikel.
Immer stärker geraten auch die rund 600.000 ungarischen Roma ins Kreuzfeuer rechtsextremer Gruppierungen wie der Partei „Jobbik“ (Die Besseren/Rechteren) und ihrer Parteiarmee „Ungarische Garde“. Die Wehrsportgruppe hat sich den Kampf gegen sogenannte „Zigeunerkriminalität“ auf die Fahnen geschrieben. Sie marschiert – trotz Verbots ihres Trägervereins – weiter durch Viertel mit hohem Roma-Anteil. Und mittlerweile werden die Auseinandersetzungen immer gewalttätiger. In anderthalb Jahren hat es mehr als 50 Gewalttaten mit sieben Toten gegeben.
Nach der Wende 1989 waren die Roma die Ersten, die ihre Jobs verloren. Jeder Vierte der rund 600.000 Roma ist mangels Bildung arbeitslos, viele sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Ungarische Rechtsextreme diffamieren sie als Sozialschmarotzer. „Ich verdiene die Stütze, von der du lebst“, heißt es in einem Hassvideo einer ungarischen Nazi-Band. Eine Meinung, die derzeit in Ungarn viele Anhänger findet.
Auf 12 Prozent beziffert der Budapester Soziologe Pál Tamás das Wählerpotenzial der Rechten. „Das sind Männer, die vor der Wende große Träume hatten, die sich nicht erfüllt haben“, sagt er. Diese Beschreibung trifft auch auf Gábor Vona zu. Der junge Mann ist eigentlich Lehrer. Und er ist Parteichef der rechtsextremen Partei „Jobbik“.
Das beste Pferd im Jobbik-Stall ist die eloquente Juristin Krisztina Morvai. Früher hat sie zum Thema „Gewalt in der Familie“ geforscht und sich für Frauenrechte stark gemacht. Jetzt bewirbt sie sich als „Jobbik“-Spitzenkandidatin für einen Sitz im EU-Parlament. Und „Jobbik“-Chef Vona kündigte bereits an, sich künftig noch besser mit der rechtsextremen Szene europaweit zu vernetzen. Kontakte zur NPD und zu bulgarischen Rechtsextremen gibt es bereits. Jetzt peilt Vona auch Kontakte zur FPÖ an.
Und noch einer profitiert von der aktuellen Krise: der ehemalige Ministerpräsident Viktor Orbán. Wenn jetzt Wahlen wären, könnte er mit seinem rechtskonservativen Bürgerbund Fidesz eine Zweidrittelmehrheit erzielen. Orbán hat sich bislang nicht von den Rechtsextremen distanziert – im Gegenteil. Fidesz-Politiker treten regelmäßig auf „Jobbik“-Veranstaltungen auf.
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