Das Konzept der Einkommensbesteuerung ist in Ungarn gescheitert. Angesichts der zerrütteten Steuermoral gibt es zur Einführung einer allgemeinen und einheitlichen Immobiliensteuer keine vernünftige Alternative. Ganz sicher darf sie aber nicht so aussehen, wie es der augenblickliche Vorschlag der Regierung vorsieht. Aber schauen wir uns kurz die Grundproblematik an: Damit das Konzept der Einkommensbesteuerung funktioniert, bedarf es eines gewissen Vertrauensminimums der Bürger gegenüber ihrem Staat aber auch gegenüber ihresgleichen. Beides ist in Ungarn nur noch rudimentär vorhanden. Jeder ist sich selbst der nächste, und der ehrliche Steuerzahler ist der Dumme. Es herrscht der fatale Irrlauben, dass sich der Staat auch ohne Zutun des einzelnen Bürgers schon irgendwie über Wasser hält. Um auf diesem Niveau der steuermoralischen Zerrüttung und allgemeinen Verweigerungshaltung dennoch alle Nutznießer des Staates an seiner Finanzierung zu beteiligen, würde man lückenlos durchgreifende Finanzämter mit weitgehenden Befugnissen benötigen. So müsste etwa bei jeder Geldtransaktion – ob nun am Gartentor, auf dem Markt oder auch in Nachtclubs – stets ein Steuerpolizist oder zumindest dessen Kamera anwesend sein. An den Landesgrenzen dürfte nicht nur sporadisch kontrolliert, sondern müssten permanent alle Passanten gründlichst nach Gold und Devisen gefilzt werden. Da diese Orwellsche Vision eines total überwachenden Steuerpolizeistaates natürlich weder wünschenswert noch finanzierbar ist, muss der Staat sich entweder aufgeben oder nach realistischeren Alternativen suchen, um seinen Unterhalt zu finanzieren. Hier bietet sich die Immobiliensteuer an. Immerhin ist Immobilienbesitz allgemein vorhanden – nahezu jeder Bürger hat ein eigenes oder gemietetes Dach über dem Kopf – und kann nur schwerlich bewegt oder in Luft aufgelöst werden. Außerdem ist er im Gegensatz zu den Einkommen hervorragend erfasst. Was jetzt aber von der ungarischen Regierung unter dem Namen Immobiliensteuer losgelassen werden soll, ist jedoch höchstens dazu geeignet, dieses vernünftige Finanzierungsinstrument zu diskreditieren. Ein Problem, das sofort ins Auge sticht ist, dass sie als zusätzliche Steuer eingeführt werden soll, also keinesfalls daran gedacht ist, mit ihr die Einkommenssteuer schrittweise abzulösen. Die eklatanten Ungerechtigkeiten bei der Finanzierung des Staates bleiben also weiterhin bestehen. Außerdem lässt das aktuelle Konzept der Immobiliensteuer ebenso wie bei der Einkommenssteuer der Freiwilligkeit und dem subjektiven Ermessen einen viel zu großen Raum. Statt einer klaren und für alle verbindlichen Einteilung in verschiedene Immobilienklassen oder regionale Zonen sind im vorgelegten Vorschlag der Wert einer Immobilie und damit das jeweilige Steueraufkommen verhandelbar. Dadurch sind natürlich Manipulationen aller Art wieder einmal Tür und Tor geöffnet. Da nur Immobilien über 30 Mio. Ft besteuert werden sollen, braucht man nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie sich plötzlich die Immobilien unter 30 Mio. Ft auf wundersame Weise vermehren werden – freilich nur auf dem Papier. Auch kann natürlich durch Aufteilung einer Immobilie auf mehrere Personen die 30-Millionen-Marke elegant und legal unterschritten werden – um nur zwei von etlichen weiteren denkbaren Steuersparmodellen zu erwähnen. Personen, die für derlei Manipulationen gebraucht werden – Sachverständige, Notare und Anwälte –, wird diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sicher erfreuen. Ob allerdings der Staat einen Grund zur Freude haben wird, steht noch in den Sternen. In Kenntnis der ungarischen Verhältnisse kann dies jedoch eher bezweifelt werden. Angesichts des absehbaren Schlags ins Wasser stellt sich wieder einmal die Frage, wie wirklichkeitsfremd man als ungarischer Staatslenker eigentlich sein darf, um an den Staatsfinanzen herumdoktern zu dürfen. Dass jetzt sogar ein ausgewiesener Steuerexperte als Finanzminister seinen guten Namen für diesen steuerlichen Rohrkrepierer hergibt, macht die Sache nicht besser. Bemerkenswert ist aber auch das fehlende Rückgrat der Regierung. Statt die vielen offenkundigen Mängel flott zu beheben, ist sie sofort nach den ersten populistisch motivierten Unmutsbekundungen der sozialistischen Fraktion eingeknickt und hat sich zur Einführung die erwähnten 30-Millionen-Grenze „überreden“ lassen. Damit hat sie nicht nur ihr Gesellenstück unbrauchbar gemacht, sondern gleich auch noch die an und für sich vernünftige Steuer in eine politische, nämlich eine Reichensteuer pervertiert. In vorauseilendem Gehorsam ging sie sogar noch einen Schritt weiter: In Zukunft sollen nicht nur Immobilien, sondern alle „Vermögenswerte“ über 30 Mio. Ft besteuert werden. Angesichts dieser romantisch-naiven Vorstellung von der Finanzierung des Gemeinwesens – Robin Hood lässt grüßen! – kann man den ungarischen Steuerfahndern beim weltweiten Aufspüren ungarischer Luxusyachten eigentlich nur noch mitleidig „Viel Erfolg!“ wünschen. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- |