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Gesendet: Dienstag, 28. Juli 2009 12:44
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28.07.2009 05:00 Uhr sueddeutsche.de | |
Prognosen unerwünscht |
Zeitungen wie diese haben Schicksalstage. Für die Hermannstädter Zeitung war der 26. Dezember 1989 ein solcher Tag. "Wir haben die Zeitung gemacht unterm Kugelhagel", erinnert sich die Chefredakteurin Beatrice Ungar. Hermannstadt, im Rumänischen Sibiu genannt, war wie andere Städte des Landes im Aufruhr. Auf dem großen Platz im Zentrum hatten tagelang Tausende von Menschen gegen den stürzenden Diktator Nicolae Ceausescu demonstriert, und aus den malerischen Dachluken der alten Häuser hatten Geheimdienstagenten in die Menge geschossen. Es gab Tote und Verletzte, aber die Revolution war nicht aufzuhalten. Am 26. Dezember erschien die Hermannstädter Zeitung, die Stimme der deutschen Minderheit in Siebenbürgen, mit einer vierseitigen Notausgabe. "Die Bevölkerung unseres Kreises begrüßt den Tag, an dem Rumänien seine Freiheit und Würde errang", war die Schlagzeile. Gewiss, es war noch ganz der alte Stil, aber doch ein neuer Ton. In einer Mitteilung der Redaktion hieß es, "dass auch wir mit der Vergangenheit gebrochen haben". Und für das, was bisher im Blatt gestanden hatte, bat man die Leser um Entschuldigung. Rumänien erlebte, wie die anderen Länder Mittel- und Osteuropas, eine historische Wende: Die kommunistischen Regime brachen zusammen. Für die Hermannstädter Zeitung aber barg der Umschwung nicht nur Hoffnungen. Denn im rauen Wind des kapitalistischen Wettbewerbs und seiner Krisen haben es die Kleinen schwer. Gerade jetzt bekommen dies mehr als zwei Dutzend Presseorgane und Rundfunkstationen zu spüren, die in Mittel- und Osteuropa seit Jahrhunderten die dort lebenden deutschen Volksgruppen bedienen. Manche der Minderheiten-Medien haben eine lange Tradition. Die Moskauer Deutsche Zeitung etwa wurde 1870 gegründet. In Budapest erschien seit 1854 der Pester Lloyd, der 1945 verschwand und 1994 wiederbelebt wurde. Die Deutschen in Kasachstan haben ihre Deutsche Allgemeine Zeitung, in Polen erscheint das Schlesische Wochenblatt, und die "Deutsche Stimme aus Ratibor" ist dort im Radio zu hören. Tschechiens deutsche Minderheit liest die Landeszeitung, und in Rumänien bietet außer der Hermannstädter Zeitung, einem Wochenblatt, auch die täglich erscheinende Allgemeine Deutsche Zeitung (ADZ) Neuigkeiten in deutscher Sprache an. Die beiden rumänischen Blätter waren Nachkriegsgründungen in kommunistischer Zeit und sollten der deutschen Minderheit - außer den Siebenbürger Sachsen auch den Banater Schwaben und anderen Gruppen - die Parteilinie nahebringen. Seitenlang hatten sie deshalb die Reden des großen Führers Ceausescu zu drucken. Ohne Staatshilfe geht gar nichts Der Umsturz von 1989 setzte die beiden Zeitungen dem Markt aus, auf dem sie ohne Subventionen nicht bestehen konnten. Zwei weitere deutsche Wochenblätter in Temeswar (Timisoara) und Kronstadt (Brasov) leben nur noch als Beilagen in der Allgemeinen Deutschen Zeitung weiter, in Hermannstadt (Sibiu) hingegen behauptete die Redaktion ihre Eigenständigkeit - um den Preis der ständigen Sorge um den Fortbestand. Er ist bisher nur dadurch gesichert, dass die rumänische Regierung die 19 Minderheiten im Land aktiv fördert, so auch das 1989 gegründete Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien. Ein Teil der dort eingehenden Zuschüsse wird an die beiden deutschen Blätter weitergereicht. "Ohne diese Hilfe von der Regierung könnten wir nicht existieren", sagt Chefredakteurin Ungar. Die Hermannstädter Zeitung bestreitet damit die Hälfte ihres Etats, der Rest kommt aus dem Bar- und Aboverkauf, von Anzeigenerlösen und Spenden. Die Lage ist nicht rosig. Ausgaben für Werbung werden in der aktuellen Wirtschaftskrise überall zuerst gekürzt, außerdem hat das Blatt für Inserenten nur eine sehr kleine Zielgruppe zu bieten. Die Auflage der Hermannstädter Zeitung, die zu besten Zeiten um 1980 mal bei 80 000 Stück lag, ist auf rund 2000 abgestürzt, zeitweise lag sie nur noch um 1500. Der wichtigste Grund dafür war der Exodus der Siebenbürger Sachsen, der schon zu Ceausescus Zeiten begann. 1989 lebten noch rund 250 000 Deutsche in Transsylvanien, von ihnen wanderte sofort die Hälfte nach Deutschland aus, um dem wirtschaftlichen Elend zu entfliehen. Heute leben in Siebenbürgen nur noch rund 16 000 Deutsche, allerdings lernen an den deutschen Schule junge Rumänen in großer Zahl Deutsch. Redakteure als "Botschafter" Rechnet man die Abgesandten deutscher oder österreichischer Firmen und die Touristen hinzu, so kommt man auf ein Leserpotential von 30 000 deutsch sprechenden Menschen. Allerdings wird sie bei ihnen nur rund 1000 Zeitungen los, die restlichen 1000 gehen an Abonnenten in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Belgien und Ungarn. Diesen Lesern servieren die fünf Redakteure, unter ihnen zwei junge Rumänen, auf acht Seiten Lokal- und Regionalnachrichten aus Politik, Kultur und Gesellschaft ebenso wie Berichte und Kommentare zur rumänischen Innenpolitik. Veranstaltungskalender, Kreuzworträsel und eine "Junior-Ecke" komplettieren ein Blatt, das im Erscheinungsbild trotz eines Layout-Liftings auf Westeuropäer nicht gerade modern wirkt. Auch die Redaktionsräume in der historischen Innenstadt von Hermannstadt, deren abgetretene Holzböden mit Teppichen belegt sind, haben noch etwas sympathisch Altmodisches an sich, wenngleich auch hier Computer Einzug gehalten haben. Den Übergang zu steuern, verlangt nach wie vor besondere Anstrengung. Es hilft dabei das Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) in Stuttgart, das hauptsächlich vom Bundesaußenministerium finanziert wird und ähnlich wie das Goethe-Institut den kulturellen und gesellschaftlichen Austausch pflegt. Anna Dmitrienko, die zuständige Medien-Koordinatorin, sieht dabei die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa als "kulturelle Botschafter" und Brückenbauer an. Das Institut hilft den Redaktionen, indem es beispielsweise gemeinsame Konferenzen in Berlin organisiert. In Workshops befassten sich die aus ganz Mittel- und Osteuropa angereisten Teilnehmer einer solchen Tagung im Februar mit professioneller Unternehmensführung und neuen Strategien. Es gibt auch Geld für konkrete Projekte, außerdem entsendet das Stuttgarter Institut deutsche Fachleute in die Redaktionen, um beim Strukturwandel zu helfen. So hospitierte bei der Hermannstädter Zeitung von 2004 bis 2006 die Medienwirtin und Redakteurin Anna Galon aus Nordrhein-Westfalen, die danach eine Diplomarbeit über das Blatt schrieb. Das Werk ist in Hermannstadt als Buch erschienen, womit die Geschichte dieses einzigartigen Organs also gesichert ist. Und die Zukunft? Kann so ein Blatt, können überhaupt solche Blätter überleben, wenn die Zahl der Leser derart schwindet? Zugleich steigen die Kosten, und die staatlichen Zuschüsse fließen nicht unbegrenzt. In Ungarn hat jüngst der Pester Lloyd sein Erscheinen als Printprodukt vorerst eingestellt, es gibt ihn nur noch online zu lesen. Und über die Chancen der Hermannstädter Zeitung sagt die Chefredakteurin Beatrice Ungar nur knapp: "Ich erlaube mir nicht, eine Prognose zu stellen." Optimistisch bleibt sie dennoch - aus Erfahrung. Immerhin habe man 1989 den Kugelhagel überstanden, sagt sie. Und schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts sei "alles am Ende" gewesen. Damals hatte man Angst vor der Magyarisierung, der kulturellen Überwältigung, als Siebenbürgen zu Ungarn kam. Und trotzdem ging es weiter. Jetzt geht es auch einfach weiter. KLAUS BRILL ------------------------------------------- |