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Regierungserfolg auf einem Nebenschauplatz - US-Visumpflicht bald Vergangenheit
Budapester Zeitung, 2008.03.26 |
Sollte alles nach Plan laufen, werden die Ungarn bereits ab 2009 visumfrei in die Vereinigten Staaten einreisen können. Das jüngste Abkommen zwischen Ungarn und den USA markiert einen großen Erfolg für die linksliberale Regierung. Angesichts des Referendums und dessen politische Nachbeben konnte sie daraus allerdings kein politisches Kapital schlagen.Die Visumpflicht bei der Einreise in die USA ist seit rund acht Jahren öffentliches Thema in Ungarn. Nach dem 11. September 2001 hatten die USA auch gegenüber den ostmitteleuropäischen Staaten ihre Einreisebestimmungen verschärft: Ab Oktober 2002 konnten die Ungarn nur noch bei der US-amerikanischen Botschaft Touristen-Visa in die USA beantragen. Dies ging obendrein mit einer langwierigen und nervenaufreibenden Prozedur einher. Bei einer Abweisung durfte der Antragsteller erst ein Jahr später wieder Anlauf nehmen.2004 wurden die Einreisebestimmungen von Seiten der USA noch weiter verschärft: Die Einreisenden wurden von da an nicht nur fotografiert, auch wurden von ihnen Fingerabdrucke genommen. Als Reaktion wurde in Ostmitteleuropa ab Mitte der 2000er Jahre die Aufhebung der Visumpflicht immer lauter gefordert. Vor allem die tschechische und polnische Diplomatie preschte vor, allerdings erfolglos. Die USA verwiesen stets auf den 217. Paragraphen des amerikanischen Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsgesetzes. Laut diesem dürfen die abgewiesenen Visumanträge einen Anteil von 3% an der Gesamtzahl der Visa nicht überschreiten. Da im Falle Ungarns dieser Wert viel höher war, konnte sich das Land kaum Hoffnungen auf eine Abschaffung der Visumpflicht machen. Dies, obwohl US-amerikanische Staatsbürger visumfrei nach Ungarn einreisen durften.Ab 2005 indes stellte US-Präsident George W. Bush mehrfach in Aussicht, die Einreisebestimmungen für die neuen EU-Mitgliedsländer zu lockern und diesen Staaten ,,innerhalb einiger Jahre� sogar das visumfreie Einreisen in die USA zu gewähren. 2007 kam es schließlich zur ersten Lockerung der Visumbestimmungen.Nicht nur UngarnIn den vergangenen Monaten führten die Vereinigten Staaten gleich mit mehreren Staaten Verhandlungen, die 2004 der EU beigetreten waren. Als Ergebnis dieser Verhandlungen konnten neben Ungarn auch Tschechien, die Slowakei, Polen, Estland und Lettland Abkommen mit den USA schließen. Sollten diese Länder die in den Abkommen enthaltenen Auflagen Washingtons in den kommenden Monaten einhalten können, könnten ihre Bewohner bereits Anfang 2009 visumfrei in die Vereinigten Staaten einreisen.Die USA erwarten von Ungarn unter anderem die Übergabe der Daten von gestohlenen oder verloren gegangenen Personalausweisen, die Aushändigung der Passagierlisten aller Flüge in die Vereinigten Staaten und die Begleitung der ungarischen US-Flüge durch so genannte ,,Sky Marshals�. Nach Einführung der Visumfreiheit soll die Einreise in die USA sodann maßgeblich erleichtert werden. Nicht zuletzt werden sich die Ungarn die langwierigen bürokratischen Prozeduren ersparen können.Im Hinblick auf die politischen Auswirkungen des Abkommens sollten die außen- und innenpolitischen Effekte getrennt voneinander untersucht werden. Innenpolitisch kann die Regierung die Unterzeichnung der Absichtserklärung als vollen Erfolg für sich verbuchen: Die Abschaffung der US-Visumpflicht stand in den vergangenen Jahren wiederholt auf der Tagesordnung der ungarischen Politik. Die lange, teure und zuweilen demütigende Prozedur bei der Antragsstellung vermittelte den Ungarn das Gefühl, Bürger ,,zweiter Klasse� zu sein. Außerdem stellte sie die USA in ein schiefes Licht. Zur Erinnerung: Staatspräsident László Sólyom erklärte demonstrativ, dass er nicht in die USA einzureisen gedenke, solange von ihm Fingerabdrücke genommen würden.Obwohl das jüngste Abkommen ein großer diplomatischer Erfolg für die Regierung ist, wurde es zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt geschlossen. Der Grund: Das Referendum am 9. März stellte in den vergangenen Wochen alles in den Schatten. Die Regierung konnte mithin kaum politisches Kapital aus seinem Erfolg schlagen.Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass das Abkommen nur ein erster Schritt zur vollständigen Abschaffung der US-Visumpflicht ist. Daher wird die Regierung noch etliche Möglichkeiten vorfinden, die US-Visumfreiheit als Erfolg zu verkaufen. Der Regierung kommt hierbei zugute, dass der Bewegungsspielraum der rechtskonservativen Opposition beim Thema ,,Visum� äußerst begrenzt ist, hat sie doch keinerlei Möglichkeiten, kritische Töne anzuschlagen. Seitdem die Regierung die Beziehungen zu Russland intensiviert hat, wandte sich die Opposition zunehmend den Vereinigten Staaten zu, gegenüber denen sie ohnehin eine Bringschuld zu begleichen hatte. Unter der Fidesz-Regierung hatte sich das Verhältnis zwischen Ungarn und den USA spürbar verschlechtert.EU übt KritikIn Sachen Visa-Abkommen ernteten die ostmitteleuropäischen Staaten insbesondere von der Europäischen Union Kritik. Die EU verwies darauf, dass durch ein geschlossenes Auftreten mehr hätte erreicht werden können. Brüssel hatte in den vergangenen Jahren allerdings keinerlei Ergebnisse auf diesem Feld erzielen können. Die Kritik der EU ist auch insofern unglaubwürdig, als die Bürger der alten EU-Mitgliedsländer in den vergangenen Jahren visumfrei in die USA einreisen konnten.Die USA vermochten jedenfalls erneut einen Keil in die europäische Einheit zu treiben. Denn mit ihrem Alleingang stellten die neuen EU-Mitglieder eindeutig ihr nationales Interesse vor jenes der Gemeinschaft. Es muss an dieser Stelle allerdings auch betont werden, dass die Visa-Abkommen vor allem symbolischen Wert haben. Eine Einreisewelle in die USA ist nicht zu erwarten � aus amerikanischer Sicht hat vermutlich auch dieser Umstand dabei eine Rolle gespielt, von ihrer unnachgiebigen Haltung abzurücken.
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