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Gesendet: Freitag, 27. März 2009 14:57
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Akt. 27.03.09; 14:27 Pub. 27.03.09; 13:58
Rechtsextremismus Ungarns braune Garde von Daniel Huber
In Ungarn marschieren sie wieder, uniformiert und im Gleichschritt. In dem arg von der Wirtschaftskrise gebeutelten Land hat die Neuauflage der faschistischen Pfeilkreuzler immer mehr Zulauf.
Am 15. März, dem ungarischen Nationalfeiertag, spielte sich auf dem Budapester Heldenplatz eine martialische Zeremonie ab: Von einem doppelten Polizeikordon geschützt vereidigte die rechtsextreme «Ungarische Garde» (ungarisch «Magyar Gárda») 650 neue Mitglieder. Die neuen Gardisten würden «ein neues Kapitel der ungarischen Geschichte schreiben», wie Gabor Vona erklärte, der Gründer der Garde und Vorsitzende der rechtsextremen Partei «Bewegung für ein besseres und rechteres Ungarn» (kurz «Jobbik»).
Gardisten im Gleichschritt
Die braune Garde schreibt in der Tat ein neues Kapitel in der ungarischen Geschichte; ein unrühmliches freilich. Mit rot-weiss gestreiften Arpad-Fahnen (die an die Gründung Ungarns vor 1000 Jahren erinnern sollen), schwarzen Uniformen und rot-weissen Halstüchern defilieren die Gardisten im Gleichschritt durch die Strassen. Doch die Umzüge sind keine Folklore, sie sollen aggressive Stärke markieren und dienen der Einschüchterung. Denn die im August 2007 gegründete Garde, die offiziell als «Bewegung» registriert ist, versteht sich selber als «Bürgerwehr» und marschiert — angeblich um die «Zigeunerkriminalität» zu bekämpfen — durch Siedlungen und Quartiere mit einem hohen Roma-Anteil. Und es bleibt nicht bei Aufmärschen. Die Rhetorik ist hassgeschwängert. Gewalttaten gegen Roma und Juden, sowie gegen linke und liberale Politiker und Journalisten häufen sich. Zwar ist der Trägerverein der Organisation im Dezember letzten Jahres vom Budapester Stadtgericht verboten worden, weil deren Aufmärsche die menschliche Würde der Roma und weiterer Minoritäten verletzten. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
Geister der Vergangenheit
Der radikale Nationalismus der «Ungarischen Garde» und anderer rechtsextremer Formationen wie der «Nationalen Wächterschar» oder der «Ungarischen Selbstverteidigung» gewinnt stark an Anziehungskraft in Zeiten, da die Wirtschaftskrise die Versprechen der Globalisierung Lügen straft. In nicht einmal einem Jahr ist Ungarn von einem der vielversprechendsten EU-Neumitglieder zu einer wirtschaftlichen Notstandsregion geworden. Das Land, das noch vor einem Jahr als Beitrittskandidat für die Euro-Zone galt, hat Auslandsschulden in Höhe von acht Billionen Forint (rund 26 Milliarden Euro) und musste inzwischen mit 6,5 Milliarden Euro aus Brüssel unterstützt werden. Wenn Gegenwart und Zukunft düster sind, steigen die Aktien der Vergangenheit: Die «Magyar Gárda» lehnt sich in Aussehen und Programm stark an die Pfeilkreuzler an, die berüchtigte ungarische Nazipartei während des Zweiten Weltkriegs.
Die Pfeilkreuzler, 1937 aus der rechtsextremen «Partei des nationalen Willens» entstanden, gelangten erst im Oktober 1944 an die Macht. Zuvor hatte Admiral Horthy das mit dem Dritten Reich verbündete und seit März 1944 von der Wehrmacht besetzte Land regiert. Als Horthy im Juli 1944 die Deportation der ungarischen Juden nach Auschwitz stoppen liess und danach Geheimverhandlungen mit den Westalliierten aufnahm, wurde er im Oktober von der SS gestürzt. Nun hatten die Pfeilkreuzler freie Bahn für ihre antisemitische Politik: Zehntausende Juden wurden nach der Machtübernahme am Ufer der Donau in Budapest erschossen. Ab November unterstützten sie die Deutschen bei der zweiten Deportationswelle, bei der ein grosser Teil der ungarischen Juden nach Auschwitz geschickt wurde.
Das Trauma von Trianon
Das Symbol der Pfeilkreuzler-Bewegung erinnert stark an das Hakenkreuz. Es wurde auf Armbinden getragen und stand für Antisemitismus und die Rückgewinnung der nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen ungarischen Gebiete in allen vier Himmelsrichtungen.
Der ungarische Nationalismus und Faschismus ist denn auch nach wie vor stark vom Trauma von Trianon geprägt: Der Friedensvertrag von Trianon nach dem Ersten Weltkrieg kostete Ungarn 71 Prozent seines Gebiets und über die Hälfte seiner Bevölkerung. Grosse Teile des vormaligen — neben den Deutschösterreichern – Herrenvolks der Doppelmonarchie lebten nun als Minderheiten in den umliegenden neugegründeten Staaten. Aus diesem Grund verbündete sich die autoritäre Regierung Horthy später mit dem revanchistischen Dritten Reich, das die Nachkriegsordnung ebenfalls umstürzen wollte.
Da der ungarische Nationalismus und der Antisemitismus nach dem Zweiten Weltkrieg unter der sozialistischen Diktatur offiziell verpönt waren, brachen sie nach der Wende 1989 um so stärker wieder hervor und griffen sofort zurück auf die Feindbilder der 30er-Jahre. Heute steht freilich nicht mehr der — nach wie vor virulente — Antisemitismus im Vordergrund, sondern der Hass auf die Roma.
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