Von: Google Alerts
Gesendet: Freitag, 20. März 2009 15:20
An: antal@jozsef-kutasi.de
Betreff: "Gulaschkommunismus"
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http://oe1.orf.at/highlights/135113.html
ORF.at - Wien,Austria
Fünf Jahre nach dem EU-Beitritt finden regierende Sozialisten und national-konservative Opposition nur wenig Gemeinsamkeiten.
Ungarns unversöhnliche Lager
Die Stimmung ist schlimmer als die Lage
Die "Lustigste Baracke im Lager", ein relativ liberales Land mit "Gulaschkommunismus" - so stellte sich Ungarn in den späten Jahren des Kommunismus dar. Und in der Wendezeit 1989/90 ernteten die Ungarn im Westen Lorbeeren, als sie als Erste den Eisernen Vorhang öffneten und Zehntausende Ostdeutsche ausreisen ließen. Wirtschaftlich ging es Ungarn aber schon damals weniger gut, das Land war schon damals auf Milliardenkredite aus dem Ausland, vor allem aus der Bundesrepublik Deutschland angewiesen.
Ungarn stand Ende 2008 vor dem Staatsbankrott und konnte nur durch Milliardenkredite und Garantien des Internationalen Währungsfonds und der EU gerettet werden.
Jahrmarkt der sozialen VersprechungenDie Wirtschaftsprobleme haben sich aber in den vergangenen Jahren massiv verschärft - schon vor der jetzigen internationalen Wirtschaftskrise - durch Schuld der beiden politischen Lager, der konservativen Fidesz, die bis 2002 regierte und der Sozialisten, die seitdem die Regierung führen, erläutert Andreas Oplatka, früher Korrespondet der Neuen Zürcher Zeitung, heute Universitätsprofessor für Geschichte in Budapest: "Die begingen die Sünde, dass sie einander in Wahlkämpfen mit sozialen Versprechen überboten. Wie auf einem Jahrmarkt." Ungarn habe in den letzten acht Jahren weit über seine Verhältnisse gelebt und sei daher von der globalen Wirtschaftskrise besonders hart getroffen worden. So kam es, dass Ungarn Ende 2008 vor dem Staatsbankrott stand und nur durch Milliardenkredite und Garantien des Internationalen Währungsfonds und der EU gerettet werden konnte. Notwendig wird nun ein radikales Sparprogramm zur Verringerung des massiven Budgetdefizits, meint Oplatka. Und das werde massive Auswirkungen auf das Sozialsystem, die Bildung und das Gesundheitssystem haben.
Verlustängste und MachtfantasienDas wiederum wird zur weiteren Unzufriedenheit, zur völligen Politikverdrossenheit der Bevölkerung führen. Sie trifft derzeit weniger die Konservativen des früheren Regierungschefs Orban, sondern vor allem die Sozialisten von Ministerpräsident Gyurcsány, der einer glücklosen Minderheitsregierung vorsteht - und das zu Recht, sagt György Dalos, Historiker, früherer Bürgerrechtskämpfer und Autor mehrerer Bücher über Ungarn: "Normalerweise müsste eine Regierung, die so funktioniert, schon längst abdanken. Andererseits erscheint jeder Machtverlust den Beteiligten wie ein Tod. Davor haben sie riesige Angst."
Beide Experten halten baldige Neuwahlen für das Beste, Oplatka glaubt auch, dass es tatsächlich dazu kommen wird. Dalos dagegen rechnet damit, dass die Sozialisten noch bis zum Ende der Periode im April nächsten Jahres regieren werden. Er meint jedoch, je länger sie an der Macht blieben, desto größer werde ihre Niederlage bei den Wahlen 2010 sein. Es bestehe sogar die Gefahr, dass die konservative Fidesz zwei Drittel der Stimmen bekommen könnte: "Und das befähigt sie zu abenteuerlichen Fantasien. Sie können dann Gesetze im Parlament beschließen lassen, die Struktur und Bild der gesamten ungarischen Politik verändern können."
Alte Männer in Uniformen?
Von den Rechtsextremisten, die durch Aufmärsche ihrer paramilitärischen "Ungarischen Garde" und durch Hetze und Attacken auf Roma auch über Ungarn hinaus Schlagzeilen machen, geht nach Ansicht von Oplatka keine direkte politische Gefahr aus, sie sind bei Wahlen bisher kaum über fünf Prozent gekommen: "Die ungarische Garde ist eine Maskerade. Das sind so alte Knaben, die sich in Uniformen gefallen." Er vermutet außerdem, dass die Linksregierung die Garde nur deshalb toleriere, damit sie ein rechtes Feindbild habe, auf das man mit dem Finger zeigen könne. Dalos sieht auch keine direkte Gefahr, aber indirekte Konsequenzen. Problematisch sei seiner Meinung nach, dass sich die konservative Rechte jahrelang geweigert hätte, sich von den Rechtsextremen abzugrenzen, weil sie auf die Unterstützung durch deren Wählerschaft gehofft habe. Dies ändere sich langsam, da die Fidesz heute eher auf die Wählerschaft der Mitte angewiesen sei. Bedenklich sei allerdings, dass insbesondere junge Menschen mit den Rechtsextremen sympathisieren würden.
Insgesamt rechnen Oplatka und Dalos kurz- und mittelfristig mit harten Zeiten für die Ungarn, langfristig sehen sie aber Hoffnung. "Die Stimmung ist schlimmer als die Lage", sagt Dalos und fügt hinzu: "Die Ungarn waren schon immer Überlebenskünstler."
Text: Ferdinand Olbort
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