In der vergangenen Woche veröffentlichte die internationale Antikorruptions-Organisation Transparency International ihren Bericht über die Fortschritte in der Umsetzung der OECD-Konvention gegen Bestechung ausländischer Amtsträger. Untersucht wurde die Situation in den 30 Mitgliedsländern der OECD, darunter Ungarn, sowie Argentinien, Brasilien, Chile, Estland, Israel, Slowenien und Südafrika. Die Budapester Zeitung druckt im Folgenden Auszüge aus dem Bericht. Dies ist der fünfte Jahresbericht von Transparency International (TI) über die Fortschritte in der Umsetzung der OECD-Konvention gegen Bestechung ausländischer Amtsträger. Von den 38 Unterzeichnern der Konvention haben sich 36 an der Erstellung des Berichts beteiligt. Der Bericht zeigt, dass die Umsetzung in den Unterzeichnerstaaten sehr ungleich gehandhabt wird. Eine aktive Umsetzung fanden wir in lediglich 4 Staaten, während 21 Staaten wenig oder gar keine Aktivitäten in dieser Richtung unternommen hatten. Auch in den 11 Staaten, die in die mittlere Kategorie eingereiht wurden, müssen noch weitere Anstrengungen unternommen werden, da ihre bisherigen Maßnahmen keine abschreckende Wirkung zeigen. Die derzeitige Lage ist gefährlich, da instabil: Falls die Umsetzung der Konvention nicht verbessert wird, könnte sich die Situation verschlechtern. Die Konvention fußt auf dem gemeinsamen Einsatz aller Unterzeichner für die Beendigung der Bestechung ausländischer Amtsträger. Es gibt bereits Zeichen für einen Rückschritt, indem einige Regierungen die Möglichkeiten von Ermittlungsbehörden einschränken, die Rechtslage verändern und Immunitätsbestimmungen erweitern. Das Risiko für Rückschritte ist umso größer, als in der derzeitigen weltweiten Rezession der Wettbewerb um die schrumpfende Anzahl von Aufträgen zugenommen hat. In dem Bericht bezieht sich der Ausdruck „Fall“, wenn eine Strafverfolgung, eine Ermittlung oder eine bürgerschaftliche Aktion gegen einen Korruptionsfall stattgefunden hat. Als „bedeutenden Fall“ bezeichnen wir die Schmiergeldzahlung seitens eines großen Unternehmens an einen hohen Amtsträger. Die Unterzeichnerstaaten wurden in drei Kategorien eingeteilt: • Aktive Umsetzung: Die 11 größten Exporteure der Weltwirtschaft mussten für diese Kategorie 10 „bedeutende Fälle“ vorweisen, von denen mindestens 3 in den letzten 3 Jahren initiiert wurden, und von denen mindestens drei ernsthaft sanktioniert wurden. Bei Ländern, deren Exportleistung weniger als 2% des gesamten weltweiten Exports ausmacht, mussten 3 „bedeutende Fälle“ vorweisen, von denen mindestens einer ernsthaft sanktioniert wurde. In diese Kategorie fielen Deutschland, Norwegen, Schweiz, USA. • Mittlere Umsetzung: Länder, die mindestens einen „bedeutenden Fall“ sowie aktuelle Ermittlungen vorweisen können. Zu dieser Kategorie gehören Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Niederlande, Schweden, Spanien, Südkorea, Vereinigtes Königreich. • Geringe oder keine Umsetzung: Ungarn, Argentinien, Australien, Brasilien, Bulgarien, Chile, Estland, Griechenland, Irland, Israel, Kanada, Mexiko, Neuseeland, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Südafrika, Tschechien, Türkei. Die Konvention ist also noch weit davon entfernt, ihr Ziel, die Beendigung der Schmiergeldzahlungen im internationalen Geschäft, zu erreichen. Es gibt sogar innerhalb der Gruppe der größten Exportnationen erhebliche Ungleichheiten in der Umsetzung. Deutschland und die USA haben von jeweils mehr als 100 Fällen berichtet, das Vereinigte Königreich von vier, Japan und Italien von jeweils zwei. Dies zeigt, wie weit der Weg noch ist. In den elf Ländern der mittleren Kategorie kann nicht von einer wirksamen Verhinderung der Schmiergeldzahlungen gesprochen werden, während sich die 21 Staaten in der unteren Kategorie teilweise nicht einmal über die Existenz der von ihnen unterzeichneten Konvention bewusst sind. Nach Ländern aufgeschlüsselt ergibt sich für Ungarn folgendes Bild: In Ungarn liefen 2008 in 24 Fällen Gerichtsverfahren (von denen 19 miteinander zusammenhängen), in einem bedeutenden Fall wurde ermittelt. • Fälle und Strafverfolgungen von Schmiergeldzahlungen im Ausland: Es gibt keine Details über die Strafverfolgung von Schmiergeldzahlungen im Ausland. Zeitungsberichten zu Folge ermittelten ungarische Behörden wegen sechs Verträgen zwischen der Magyar Telekom (einer Tochter der Deutsche Telekom) und ihren Tochterunternehmen in Montenegro und Mazedonien. Einer Mitteilung des Konzerns zu Folge sind diese Ermittlungen noch im Gange. • Schmiergeldzahlungen ausländischer Unternehmen im Inland: Keine Fälle bekannt. Es gab Medienberichte über Ermittlungen gegen Unternehmen in ausländischem Besitz, darunter Siemens Zrt. Hungary, Gripen International (Saab und BAE Systems) sowie Strabag. Letztere wurde im Oktober 2008 verdächtigt, mehrere Millionen Euro an politische Parteien gezahlt zu haben. Im März 2008 hieß es in den Medien, dass die Polizei gegen das ungarische Unternehmen Geuronet Bt. ermittelt, da die Firma im Zusammenhang mit dem Verkauf der MÁV Cargo an das österreichische Unternehmen Rail Cargo Austria eine Zahlung in Höhe von 7,1 Millionen Euro erhalten hatte. Das schwedische Fernsehen berichtete, dass das Parlament einen Untersuchungsaussschuss bezüglich der Kauf-/Leasingverträge mit Ungarn über 14 Gripen-Kampfflugzeuge im Wert von 890 Millionen US-Dollar eingesetzt hatte, der Ausschuss jedoch keine Befugnis erhielt, sich mit dem Korruptionsverdacht in dieser Sache zu befassen. Das britische Amt für schweren Betrug ermittelt in diesem Fall. [Inzwischen wurden die Ermittlungen von britischer Seite eingestellt, was die schwedische Staatsanwaltschaft daran hindert, den Fall weiter zu verfolgen. Der zuständige schwedische Staatsanwalt stellte das Verfahren frustriert ein und ließ sich pensionieren; Anm. d. Red.] • Gesetzliche Hindernisse: In Ungarn gibt es keine Schwierigkeiten mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern mit der Umsetzung. • Politische Einflussnahme: Es liegen keine Beweise für eine politische Einflussnahme die Konvention vor. Anlass zur Sorge bietet die Finanzierung der politischen Parteien. • Möglichkeiten zur Anzeige: Das Landespolizeipräsidium hat eine Hotline eingerichtet. Allerdings werden die Daten der Anrufenden nicht wirksam geschützt. Die Nationale Entwicklungsagentur (NFÜ) unterhielt früher eine Internetseite, auf der Bürger Vergehen wie etwa Korruption melden konnten. Sämtliche Beschwerden wurden jedoch für nichtig befunden, die Webseite wurde entfernt. • Maßnahmen gegen Geldwäsche: Am 15. Dezember 2007 trat ein neues Geldwäschegesetz in Kraft. Im zweiten Moneyval-Bericht über Ungarn aus dem Dezember 2008 wurden bedeutende Fortschritte sowohl bei den rechtlichen Rahmenbedingungen als auch bei deren Umsetzung festgestellt. • Sonstige Fragen der Umsetzung: Der Schutz für Informanten ist nicht ausreichend. Das Strafgesetzbuch verbietet zwar die Strafverfolgung von Informanten, und die Regierung hat mehrfach betont, diesen Schutz noch auszuweiten. Allerdings ist in dieser Hinsicht bislang noch nichts geschehen. Zudem ist die Koordination zwischen den für länderübergreifende Schmiergeldzahlungen zuständigen Behörden mangelhaft. • Jüngste Entwicklung: 2006 verabschiedete das Parlament ein neues Lobbygesetz, was jedoch auf Grund mangelhaften Ermittlungen und unwirksamer Sanktionen offenbar nicht für eine Erhöhung der Transparenz von staatlichen Entscheidungsprozessen sorgen konnte. 2007 richtete die Regierung den Koordinationsrat gegen Korruption ein und beabsichtigte, in dessen Rahmen mithilfe von NGOs und Fachleuten Antikorruptionsstrategien auszuarbeiten. Der Rat lieferte einen Bericht ab, den die Regierung aber nicht diskutierte. Seither ist die Arbeit des Rates unvorhersehbar und unregelmäßig, als Folge davon verließen mehrere NGOs und Fachleute das Gremium. Das Gesetz über öffentliche Beschaffungen wird seit seiner Verabschiedung 2004 etwa fünf Mal im Jahr geändert. Die letzte Änderung erfolgte im Dezember 2008. Die ständigen Änderungen tragen nicht gerade zur Erhöhung der Transparenz bei. • Empfehlungen: Verschärfung der Regeln für Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere in den Bereichen Informantenschutz und Lobbytätigkeit. Vereinfachung des Gesetzes über öffentliche Beschaffungen im Sinne einer Erhöhung der Transparenz und einer effektiven Umsetzung. Verschärfung der Regelungen betreffend EU-finanzierter Projekte. Wiederaufnahme der Arbeit des Koordinationsrates gegen Korruption. Fortbildung von Finanzbeamten im Hinblick auf das Erkennen von Korruption. Fortbildung von Staatsanwälten und Richtern im Hinblick auf eine effizientere Umsetzung der Gesetze. Verankerung des Verbots von länderübergreifender Korruption im öffentlichen Bewusstsein und Einrichtung einer Webseite zur vereinfachten Meldung von Korruptionsfällen. Wie es funktioniert – Methoden der Korruption Das Internetportal origo.hu führte vor einigen Wochen eine anonyme Umfrage unter Betroffenen durch und berichtete ausführlich über die Methoden der Korruption: „Es geht längst nicht mehr darum, dass ein Geschäftsführer einen Bürgermeister oder einen Abgeordneten aus der Tasche bezahlt, zwischen diesen beiden Endpunkten sind ganze Ketten entstanden, mit Vermittlern, Firmen, die das Geld verteilen und Glücksrittern, die sich Lobbyisten nennen [...] Die am weitesten verbreitete Methode funktioniert so, dass das bei einer öffentlichen Ausschreibung siegreiche Unternehmen einen Vertrag mit einer vom geschmierten Politiker bezeichneten Firma schließt, die real kaum oder gar keine Geschäftstätigkeit durchführt und lediglich das Geld entgegennimmt. Der Kreis solcher Firmen ist sehr groß, es sind landesweit bekannte Unternehmen ebenso wie kleine Kft-s darunter. Typischerweise haben sie einen Geschäftszweck, der entweder kein handfestes Ergebnis hat oder dessen Wert schwer zu beziffern ist, wie etwa Beratung oder das Verfassen von Studien. Auch für das Verschwindenlassen des Geldes gibt es bewährte Methoden. ,Wenn du eine Unternehmensgruppe hast, lässt du den Betrag im Rahmen diverser Transaktionen hin und her laufen, was natürlich durch ordentliche Veträge belegt ist, und am Ende nimmt jemand das Geld als Darlehen heraus’, erläutert ein Mitarbeiter einer Consultingfirma eine mögliche Lösung. Auch der Gebrauch von Offshore-Firmen ist verbreitet. Charakteristisch ist hierbei, dass die Firmen an Orten eingetragen sind, wo man nur sehr niedrige Steuern zahlen muss und die Gesellschafter des Unternehmens nicht im öffentlichen Handelsregister eingetragen sind, etwa die Cayman-Inseln oder die Seychellen.“ ------------------------------------------------------ |