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2009. június 27., szombat

2.802 - Das deutsche Blutsmodell (1) > Samstag, 27. Juni 2009 | Thema: EU, Ticker Womblog - Germany

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Gesendet: Samstag, 27. Juni 2009 14:59
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Das deutsche Blutsmodell (1)

 

Samstag, 27. Juni 2009 | Thema: EU, Ticker Womblog - Germany

http://www.german-foreign-policy.com/pics/sprachminderheitenhroklein.jpgGerman Foreign Policy | – Ungarische Rechtsextremisten bereiten einen Europaparlaments-Antrag auf Annullierung der Beneš-Gesetze vor und ersuchen deutsche Abgeordnete um Unterstützung. Initiator ist ein frisch nach Brüssel gewähltes Mitglied der Partei Jobbik, die bei den Europawahlen in Ungarn fast 15 Prozent erzielte.

Seine Forderung, die Beneš-Gesetze zu annullieren, wird in Deutschland von zahlreichen Politikern geteilt. Hintergrund sind völkische Polit-Konzeptionen, die Ungarn in Übereinstimmung mit der Bundesrepublik vertritt und die Ansprüche gegenüber angrenzenden Staaten legitimieren. Schon seit Jahren beruft sich Budapest auf ein von Berlin adaptiertes völkisches Blutsrecht ("ius sanguinis"), vereinnahmt Staatsbürger der Slowakei und Rumäniens ("Auslandsungarn") und lässt damit zwischenstaatliche Spannungen eskalieren. Rechtsextremisten spitzen die Blutspolitik zu und erzielen seit Beginn der Wirtschaftskrise in Ungarn Wahlerfolge. Wie jüngste Umfragen belegen, hält es beinahe die Hälfte der Bevölkerung für gut, dass ihr Land in Brüssel in Zukunft auch von drei Rechtsextremisten vertreten wird. Deren Organisationen appellieren an Berlin, sich der völkischen Radikalisierung anzuschließen.

Trianon aufheben

Wie ein kürzlich gewählter Europaabgeordneter der rechtsextremen ungarischen Partei Jobbik mitteilt, wird er im Europaparlament einen Antrag auf Annullierung der Beneš-Gesetze einbringen. Als Unterstützer will er ausdrücklich deutsche Abgeordnete gewinnen. Deutsche Politiker sind in der Vergangenheit häufig mit der Forderung nach Aufhebung der tschechisch-slowakischen Beneš-Gesetze hervorgetreten; die Ansicht, diese widersprächen dem geltenden internationalen Normensystem, ist seit je Rechtsposition des deutschen Staates.[1] Jobbik, Anfang Juni mit 14,8 Prozent der ungarischen Stimmen ins Europaparlament gewählt, sucht nun daran anzuknüpfen, sieht aber die Kampagne gegen die Beneš-Gesetze, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg gegen deutsche und ungarische NS-Täter und NS-Profiteure richteten, nur als Einstieg in weiter reichende Forderungskataloge. Demnach ist es das Hauptziel der Organisation, "die Grenzen von Trianon" – gemeint sind die nach dem Ersten Weltkrieg in den Pariser Friedensverträgen festgelegten Grenzen Ungarns – "innerhalb weniger Generationen oder so bald wie möglich aufzuheben".[2] Im Vertrag von Trianon musste Budapest 1920 Teile seines Territoriums an die Nachbarstaaten abtreten. Jobbik will sie wieder an Ungarn anschließen.

Auslandsungarn

Hintergrund der Forderungen von Jobbik sind völkische Polit-Konzeptionen, wie sie in der EU vor allem von Deutschland vertreten werden. Demnach habe ein Staat Anspruch darauf, "blutsverwandte" Minderheiten in den Nachbarstaaten ("Volksgruppen") eng an sich anzubinden. So gewährt Berlin etwa deutschsprachigen Minoritäten in Polen und Tschechien ("Deutschtum") nicht nur besondere Zuwendung, sondern hat mehreren Hunderttausend Polen und mehreren Zehntausend Tschechen die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen, weil ihre Vorfahren Deutsche gewesen seien ("ius sanguinis", "Blutsrecht").[3] Budapest wendet dasselbe Blutsrecht an und behandelt eine halbe Million Slowaken und 1,3 Millionen Rumänen als "Auslandsungarn", denen besondere "Fürsorge" zu gewähren sei. Wie weit solche "Fürsorge" auszudehnen sei, ist umstritten. (Unsere Karte zeigt die Wohngebiete der ungarischsprachigen Minderheiten. Eine vergrößerte Fassung finden Sie hier.)

Trianon überwinden

Dabei ist eine kontinuierliche Ausweitung zu beobachten. In den vergangenen Jahren verlieh Budapest – stets mit Rückendeckung Berlins – den "Auslandsungarn" immer neue Sonderrechte, die unter anderem ihre Einbürgerung in Ungarn erleichterten und ihre Ausrichtung nach Budapest verstärkten.[4] Zugleich macht sich die ungarische Regierung dafür stark, den "Auslandsungarn" kollektive Sonderrechte in der Slowakei und Rumänien zu verschaffen ("Autonomie").[5] Schon seit Jahren sind die Beziehungen vor allem zwischen Ungarn und der Slowakei gespannt, weil Bratislava sich Budapests offene Einmischungsversuche verbittet. Jetzt zeichnen sich neue Auseinandersetzungen ab: Die konservative ungarische Partei Fidesz kündigt an, einen Schritt weiter zu gehen und im Europaparlament auf Dauer mit ungarischsprachigen Abgeordneten aus der Slowakei und Rumänien zu kooperieren. Mit diesem Schritt habe man "Trianon überwunden", erklärt der stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Jozsef Szajer (Fidesz). In Bratislava stößt die Vereinnahmung slowakischer Abgeordneter zugunsten großungarischer Politik auf Protest.[6]

"Gut für Ungarn"

Weitere Eskalationen stehen bevor. Wie Szajer ankündigt, wird Fidesz im Europaparlament zur Durchsetzung ungarischer Interessen auch mit Jobbik kooperieren.[7] Jobbik setzt sich nicht nur für den Anschluss von Teilen der Slowakei, Rumäniens, Serbiens und der Ukraine ein, sondern vertritt auch sonst rechtsextreme Positionen. Die paramilitärische Organisation Magyar Gárda (Ungarische Garde), die von Jobbik-Chef Gábor Vona geführt wird, ist mittlerweile europaweit für ihr martialisches Vorgehen gegen Roma berüchtigt. Der offene, aggressive Antisemitismus von Jobbik ist ebenso bekannt wie das brutale Auftreten der Partei und ihrer Vorfeldorganisationen gegen Liberale und Linke.[8] Dabei treibt in völkisch geprägten Milieus die eskalierende Wirtschaftskrise Jobbik zahlreiche Wähler in die Arme. Einer aktuellen Umfrage zufolge ist fast die Hälfte der ungarischen Bevölkerung der Meinung, der 14,8-Prozent-Erfolg von Jobbik bei den Europawahlen sei "gut für Ungarn".[9] Nur ein Drittel hält die offen antisemitischen, rassistischen Positionen der Partei für extrem.

Zuerst in der Peripherie

Die mittlerweile international beachtete rechtsextreme Zuspitzung in Ungarn gründet auf expansiven völkischen Prämissen ("Blutsrecht"), die das Land mit Deutschland teilt – und in der EU unter deutscher Hegemonie sukzessive weiterentwickelt hat. Rechtsextreme Organisationen appellieren inzwischen offen an Berlin, sich der völkischen Radikalisierung anzuschließen. Die Jobbik-Ankündigung, deutsche Abgeordnete im Europaparlament zur Kooperation aufzufordern, zeigt dies ebenso wie eine Kundgebung vor zwei Monaten vor der deutschen Botschaft in Budapest. "Nichts am Holocaust ist wahr" skandierten Rechtsextremisten, darunter Mitglieder der Magyar Gárda, vor dem Gebäude im Budapester Burgviertel, das von 1936 bis 1945 als Botschaft Nazideutschlands gedient hatte und 2001 zum zweiten Mal von deutschen Diplomaten bezogen worden war.[10] Das fordernde Auftreten der ungarischen Rechtsextremisten wird von Berlin entschieden zurückgewiesen. In der osteuropäischen Peripherie jedoch setzt sich – wie in der Zwischenkriegszeit – die radikalisierte Variante des deutschen Blutsmodells bereits in einer frühen Phase der Krise fest.

Über die Auswirkungen des deutschen Blutsmodells ("ius sanguinis") in Rumänien und Moldawien berichtet german-foreign-policy.com am morgigen Mittwoch