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Gesendet: Mittwoch, 3. Juni 2009 17:45
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- 3. Juni 2009, Neue Zürcher Zeitung
Ungarns Parteien kämpfen mit harten Bandagen
Die rechtsextreme Gruppierung Jobbik schürt Ängste vor den Minderheiten
Die Polarisierung in Ungarn nimmt zu, und zwar nicht nur zwischen den beiden Grossparteien, den regierenden Sozialisten und dem oppositionellen Fidesz, sondern auch zwischen den Kleinparteien, den Liberalen und der rechtsradikalen Jobbik. Diese kämpft mit nationalistischen Slogans und rassistischen Stereotypen für ihre politischen Ziele.
Von unserem Korrespondenten Charles E. Ritterband
Budapest, im Mai
Die ungarische Regierung ist ein wackliges Gebilde. Gestellt wird sie von den Sozialisten (MSZP), die zwar gegenwärtig noch über 190 der 386 Parlamentsmandate verfügen. Aber die Popularität der Partei schwindet rasant. Seit dem dramatischen, einer Kapitulation gleichkommenden Rücktritt des Regierungschefs Ferenc Gyurcsany im März und dem fliegenden Wechsel zum parteilosen Gordon Bajnai und dessen Expertenkabinett Mitte April stürzten die Umfragewerte der MSZP in Bodenlose. Die neue Regierung wurde durch den Schachzug eines «konstruktiven Misstrauensvotums» ermöglicht. So konnten die Sozialisten die von der Mehrheit der Bevölkerung gewünschten Neuwahlen verhindern und die Macht in den Händen behalten.
Zweifel an der Übergangsregierung
Nur 29 Prozent der von Meinungsforschern befragten Ungarn halten Bajnai und sein Expertenkabinett für fähig, die schwere Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen; 50 Prozent der Befragten äussern Zweifel. Weit mehr als die Hälfte der Befragten gäbe vorgezogenen Neuwahlen den Vorzug; Wahlen, in denen der oppositionelle rechtskonservative, populistisch agierende Fidesz unter Viktor Orban laut allen Voraussagen der Demoskopen haushoch gewinnen würde. Bestenfalls die städtischen Eliten vermögen dem rigorosen Notprogramm Bajnais noch etwas Positives abzugewinnen, nicht aber die Bevölkerungsmehrheit. Die Polarisierung zwischen links und rechts nimmt stetig zu.
Vorerst finden keine Parlamentswahlen statt, und der reguläre Wahltermin im Frühling kommenden Jahres liegt noch in weiter Ferne. Doch die Wahlkampf-Parolen sind schon vorhanden. «Es reicht», wiederholen die Politiker des oppositionellen Fidesz wie ein Mantra. Gemeint ist damit die ungeliebte Regierung der Sozialisten. Deren wenig aussagekräftiges Motto lautet: «Erneuerte Kraft». Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Wechsel zu Bajnai die Sozialisten mit neuer Kraft erfüllt.
Der Fidesz versäumt es nie, auf die «Periode des Scheiterns und der Enttäuschungen» unter der Regierung der Sozialisten hinzuweisen. Während andere osteuropäische Länder von ihrem EU-Beitritt hätten profitieren können, sei in Ungarn die Zeit stehengeblieben. «Ja, Ungarn kann mehr!», propagiert der Fidesz und ist bemüht, seine Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Er präsentiert Alternativen zum sozialistischen Regierungsprogramm und kritisiert insbesondere die Verwendung von EU-Mitteln durch die Regierung. Diese sollten, so argumentiert der Fidesz, nicht in spektakuläre Staatsinvestitionen fliessen. 30 Prozent der Mittel müssten vielmehr für die Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen verwendet werden. Der Fidesz wirft der Regierung ausserdem vor, die Einführung des Euro durch eine inkonsistente Budgetpolitik zu verzögern.
Die Zukunft der beiden Kleinparteien an den entgegengesetzten Enden des politischen Spektrums ist ungewiss. Die Liberaldemokraten, noch bis vor einem Jahr Koalitionspartner der Sozialisten, kämpfen um ihr politisches Überleben. Vorläufig kommt ihnen mit immer noch 20 Sitzen im Parlament eine bedeutende Rolle zu. Sie unterstützen fallweise die Übergangsregierung Bajnai. Die Liberalen bieten den früheren Partnern nicht aus Sympathie oder politischer Affinität Rückendeckung, sondern aus wohlkalkuliertem Eigeninteresse. Ein Scheitern der Regierung Bajnai und vorgezogene Neuwahlen würden für sie laut den heutigen Meinungsumfragen das Ende ihrer Präsenz im Parlament bedeuten.
Die rechtsextreme Kleinpartei Jobbik («Für das bessere Ungarn») hofft, bei den nächsten Wahlen erstmals ins Parlament einzuziehen. Die Chancen dafür stehen keineswegs schlecht. Jobbik ist eine junge Partei. Im Jahre 2004 aus einer Hochschulgemeinschaft antikommunistischer Studenten entstanden, wurde sie rasch zum Sammelbecken der ungarischen Rechtsextremen. In den Parlamentswahlen von 2006 kandidierte Jobbik gemeinsam mit der rechtsextremen Partei Miep des Schriftstellers Istvan Csurka, vermochte aber die Fünfprozenthürde für den Einzug ins Parlament nicht zu überwinden.
Im letzten Januar jedoch errang Jobbik im Budapester Stadtteil Ferencvaros in einem lokalen Urnengang 8,5 Prozent der Wählerstimmen. Dieser Teilerfolg wurde zum Triumph hochstilisiert. Seither verwendet Jobbik diese Zahl wie eine magische Formel, sie prangt auf Flugblättern, wo sich Jobbik als «einzige nationale Partei» präsentiert – mit Slogans wie «Ungarn den Ungarn», «Recht und Ordnung», «Besteuerung der multinationalen Konzerne», «Die Verantwortlichen hinter Schloss und Riegel».
Gegenseitige Beschuldigungen
Zwei Dinge sind bemerkenswert auf diesen Flugblättern: das Logo, welches unverkennbar durch zwei rote SS-Runen gebildet wird, und die neue Galionsfigur, die dieser sonst eher unappetitlich wirkenden Extremistenpartei ein sympathisches Gesicht verleihen soll, nämlich Krisztina Morvai. «Unsere Stärke ist eine Frau», steht unter der Fotografie der attraktiven 46-Jährigen. Morvai, formell nicht Mitglied der Jobbik-Partei, ist Juristin und Dozentin für Strafrecht an der Budapester Lorand-Eötvös-Universität. Morvais Konterfei prangt auch auf dem Titelblatt der Parteizeitschrift «Die Barrikade – das Blatt der neuen Kraft». Auf der letzten Seite der Broschüre wird mit den rivalisierenden Liberalen abgerechnet. Jobbik versucht, die Argumentation des Fidesz zu widerlegen, eine Stimme für Jobbik sei eine verlorene Stimme. Genau dasselbe gilt für die Liberalen, die um ihre Parlamentssitze bangen müssen.
Für beide Kleinparteien geht es darum, sich als «dritte Kraft» zu etablieren. In der Wahl ihrer Mittel wenig zimperlich, verunglimpfen sie den politischen Gegner. Die Liberalen führen der Bevölkerung die Gefahr von rechts drastisch vor Augen: Drei brave Bürger werden drei gefährlichen Rechtsextremen – einem grimmigen Skinhead, einem verhüllten Demonstranten sowie einem Angehörigen der Ungarischen Garde – gegenübergestellt.
Die Partei Jobbik persifliert diese Darstellung der Liberalen, indem sie dem Porträt ihres Parteichefs, Gabor Vona, unter der Frage «Wer wird die dritte Kraft?» ihre drei wichtigsten Feindbilder gegenüberstellt. Zwei sich umarmende Homosexuelle: «Ist das die Zukunft Ungarns?» «Wer soll über die Gesetze wachen?», lautet der Text neben dem Porträt von Ivan Sztojka, einem Angehörigen der Roma-Minderheit, der beschuldigt wird, den rumänischen Handballer Marian Cozma ermordet zu haben. Der Sportler war am 9. Februar in der westungarischen Stadt Veszprem umgebracht worden. Und schliesslich, neben der Fotografie eines orthodoxen Juden im Stil der berüchtigten «Stürmer»-Karikaturen aus der NS-Zeit: «Wer soll über die Wirtschaft entscheiden?» Jobbik schürt den Hass gegen Minderheiten aus politischem Kalkül; systematisch bedient die Partei die um sich greifende Angst der Ungarn vor wirtschaftlicher Not und einer angeblich zunehmenden «Zigeuner-Kriminalität».
Bemühungen um Abgrenzung
Der Fidesz-Chef Viktor Orban sieht sich einem Kampf an zwei Fronten ausgesetzt. Die Strategie, alle Wähler des rechten Spektrums zu absorbieren, ist nicht aufgegangen. Mit dem Druck der Wirtschaftskrise gewinnt Jobbik mit ihren simplen, hasserfüllten Parolen an Attraktivität gegenüber dem vergleichsweise gemässigt auftretenden Fidesz. Dieser ist bemüht, sich klar von Jobbik abzugrenzen. Der Fidesz bezeichnet das Roma-Thema zwar als «explosiv», aber die Lösungsansätze tönen konstruktiv: bessere Chancen in der Ausbildung und bei der Suche nach Arbeitsplätzen sowie Abbau von Stereotypen und Vorurteilen als Schlüssel zur Integration dieser Minderheit.
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