Datum: 23. September 2009 10:22
Betreff: http://www.handelsblatt.com/politik/international/ungarns-rechtsparteien-stehen-vor-klarem-sieg;2460030
An: terezia@jozsef-kutasi.de
Mit einem drastischen Sparprogramm führt der ungarische Ministerpräsident Gordon Bajnai sein Land durch die Krise - und handelt sich damit den Unmut der Bevölkerung ein. Bei den anstehenden Parlamentswahl rechnen Beobachter mit einem Erdrutschsieg der Konservativen. Ungarn steht vor einem Rechtsruck.
WIEN. Selten schafft es eine Partei heutzutage, bei einer Parlamentswahl auf 60 Prozent der Stimmen zu kommen. Sogar die früher einmal erfolgsverwöhnte CSU hat dieses Ziel in Bayern schon lange für sich abgeschrieben. Doch im Moment sieht alles danach aus, dass es im kommenden Jahr in einem Land der Europäischen Union genau diesen Erdrutschsieg einer Partei geben wird: in Ungarn.
In den jüngsten Meinungsumfragen kommt die konservative ungarische Fidesz-Partei auf diese Ausnahmewerte. Würde am kommenden Sonntag in Ungarn gewählt, erreichte die Fidesz einer Studie des Budapester Szonda-Ipsos-Instituts zufolge 60 Prozent der Wählerstimmen. Die über lange Jahre hinweg regierende sozialistische MSZP kann danach mit 23 Prozent rechnen.
Spätestens im nächsten Frühjahr müssen Ungarns Bürger an die Urne. Fidesz-Parteichef Viktor Orban, vor bald zehn Jahren schon einmal Premier in Budapest, kann sich schon heute mit aller Seelenruhe die Kabinettsliste zusammenstellen. In dem Zehn-Millionen-Volk ist die Unzufriedenheit mit den Sozialisten inzwischen so tief verwurzelt, dass sich an den Umfragewerten bis zum Wahltermin nicht mehr viel ändern wird. Das Land steht vor einem gewaltigen Rechtsruck, wie es ihn in Europa lange nicht mehr gegeben hat.
Rechts von Fidesz tummelt sich noch die neue Jobbik-Partei, die mit ihren extremistischen und nationalistischen Tönen ebenfalls mit dem Einzug ins Budapester Parlament rechnen kann. Sie erreicht in jüngsten Umfragen etwa zehn Prozent. Vor dem Untergang stehen liberale bürgerliche Parteien, die zwar jetzt noch im Parlament vertreten sind, im Frühjahr allerdings mit ziemlicher Sicherheit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werden.
Dass die Bevölkerung in dieser Breite und Tiefe extrem unzufrieden ist, hängt mit der miserablen wirtschaftlichen Lage des Landes zusammen. Nur ein 20 Mrd. Euro schweres Hilfspaket von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Union konnte Ungarn im Herbst vergangenen Jahres vor dem Kollaps bewahren. Und die meisten Bürger spüren am eigenen Leib, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um etwa sechs Prozent schrumpfen wird.
Bajnai bekommt gerade auch aus dem Ausland Anerkennung für das, was er in den vergangenen Monaten erreicht hat. Seiner Regierung ist eine gewisse wirtschaftliche Stabilisierung gelungen, Ungarn geht es ein wenig besser und es wird wahrscheinlich auch nicht das gesamte IWF-Geld brauchen. In den nächsten Wochen will der Premier dafür sorgen, dass er den Haushalt für 2010 vom Budapester Parlament genehmigt bekommt. „Falls wir einen guten Job machen, sollte das das letzte Krisenbudget für Ungarn sein", sagte er bei der ersten Lesung vor den Abgeordneten im Parlament.
Sparen, Sparen, Sparen – so lautet die Devise auch für das kommende Jahr. Bajnai will vor allem investieren, bei konsumptiven Ausgaben herrscht weiter große Zurückhaltung. Schon kommen die ersten Warnungen, dass es der Wirtschaftsfachmann an der Spitze der Regierung mit dem Sparkurs übertreiben könnte: „Die wirtschaftliche Erholung des Landes wird gebremst durch den prozyklischen Sparkurs der Regierung", sagt beispielsweise Christian Keller, Osteuropa-Experte bei Barclays Capital in London. Erste vorsichtige Zeichen eines Aufschwungs würden wahrscheinlich ausschließlich von den wieder anziehenden Exporten nach Westeuropa getragen.
Übergangs-Premier Bajnai mag zwar eine gewisse Rückendeckung im Ausland gefunden haben. Doch im eigenen Land findet er für seine Sparpolitik keine sonderlich große Anerkennung. Er wird letztlich den Sozialisten zugerechnet, deshalb sind seine Popularitätswerte vergleichsweise schlecht. Neuesten Spekulationen in Budapest zufolge könnte er auf absehbare Zeit als neuer ungarischer EU-Kommissar nach Brüssel wechseln.
Bajnais Tage auf dem Posten des Ministerpräsidenten sind auf jeden Fall gezählt, das steht unwiderruflich fest. Spätestens im kommenden Frühjahr wird Ungarn mit Viktor Orban einen neuen Ministerpräsidenten haben. Allerdings sollte sich die Bevölkerung schon jetzt darauf einstellen, dass auch die künftige konservative Fidesz-Regierung nichts zu verschenken hat. Dem Land wird es auch auf längere Sicht nicht sonderlich gut gehen. Daran werden auch 60 Prozent Stimmenanteil bei der anstehenden Parlamentswahl nicht viel ändern können.
Abgewirtschaftet
Von den Sozialisten ...
Seit April 2009 wird Ungarn vom parteilosen früheren Wirtschaftsminister Gordon Bajnai als Übergangspremier regiert. Zuvor war der sozialistische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány zurückgetreten. Er hatte es nicht geschafft, seine Wirtschaftsreformen gegen innenpolitische Widerstände durchzusetzen. Hinzu kam, dass EU und IWF, die Ungarn mit Notkrediten vor dem Staatsbankrott retteten, der Regierung einen harten Sparkurs verordneten.
... zu den Konservativen
Spätestens im Frühjahr 2010 wählen die Ungarn eine neue Regierung. Glaubt man den Umfragen, wird Viktor Orban mit seiner konservativen Fidesz-Partei als klarer Sieger aus der Wahl hervorgehen. Den Sozialisten und den Liberalen droht dagegen die politische Bedeutungslosigkeit.
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