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Gesendet: péntek, 2008. február 15. 17:38
An: antal@jozsef-kutasi.de
Betreff: Ungarische Sparpolitik! Weiter interessanter Standort!
Ungarns Konjunkturdelle
Die ungarische Wirtschaft ist im Jahr 2007 nur mehr um 1,3 Prozent gewachsen, der private Konsum war rückläufig
Wien/Budapest - Der Ausblick der ungarischen Wirtschaft hat sich im vergangenen Jahr verdunkelt: Anfang 2007 gingen Österreichs Erste Bank und das ungarische Wirtschaftsforschungsinstitut GKI noch von einem dreiprozentigen Wirtschaftswachstum Ungarns aus. Ein Jahr später sieht alles anders aus: Der private Verbrauch ist um mehr als ein Prozent zurückgegangen, der staatliche Konsum sogar um acht Prozent. Einzig die Exporte haben sich gut entwickelt. Das ungarische Wirtschaftswachstum hat sich 2007 auf 1,3 Prozent reduziert, teilte das Zentrale Statistikamt (KSH) am Donnerstag in Budapest mit. Im vergangenen Jahr hatte das Wachstum noch 3,9 Prozent betragen. Der ungarische Finanzminister János Veres hält laut der Nachrichtenagentur dpa dennoch am Ziel von 2,8 Prozent Wachstum für heuer fest.
Den Rückgang des Wirtschaftswachstums erklärte er mit stark verringerten Staatsausgaben, das Wachstum im Privatsektor sei aber "in Ordnung" gewesen. In diesem Jahr würde der Staat aber wieder mehr Ausgaben tätigen, sagte Veres weiter. Die ungarische Wirtschaft ist derzeit in einer schwierigen Situation. Neben dem Einbruch des Wirtschaftswachstums ist auch die Inflation bei acht Prozent und schwächt die Nachfrage der privaten Haushalte. Zusätzlich ist das Land über seine politische Zukunft gespalten: Am 9. März hält die Opposition ein Referendum über die Reformpolitik der sozialistischen Regierung ab. Diese hat viele Bereiche des staatlichen Sektors liberalisiert oder umstrukturiert.
Ungarische Sparpolitik
Für Sándor Richter, Ökonom am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), hat das Abflauen der Konjunktur zwei Gründe: Erstens das Sparpaket der ungarischen Regierung und zweitens die jüngsten Ernteausfälle. Die ungarische Regierung hat im vergangenen Jahr eine eiserne Sparpolitik begonnen: Im Jahr 2006 betrug das ungarische Defizit noch knapp zehn Prozent, 2007 nur mehr fünf Prozent.
2012 will Ungarn Teil des Euro-Raumes werden und muss daher das Defizit auf drei Prozent senken. Sandor sieht in der Sparpolitik ein "sehr gutes Ergebnis". Sie schwäche aber durch einen massiven Rückgang der staatlichen Ausgaben die Nachfrage der Privathaushalte. Österreichische Firmen wie der Erdölkonzern OMV, die Uniqua Versicherung und der Baukonzern Strabag haben stark in Ungarn investiert und dürften den Rückgang der Nachfrage spüren.
Weiter interessanter Standort
Nach Auskunft der österreichischen Außenhandelsstelle haben die Österreicher seit der Systemwende 6,5 Mrd. Euro in Ungarn investiert. Insgesamt sind 66,8 Mrd. Euro an Auslandsinvestitionen seit Anfang der 90er-Jahre nach Ungarn geflossen. Österreich liegt als Investor an dritter Stelle. "Alle Unternehmen, die mit der öffentlichen Hand zu tun haben, spüren die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Ungarn bleibt aber ein interessanter Wirtschaftsstandort", sagt Vize-Außenhandelsdelegierter Sigmund Nemeti der österreichischen Außenhandelsstelle in Budapest. "Bis 2009 wird es mit dem Konsum wieder besser", so Nemeti weiter.
Ungarn bekommt von der europäischen Union zwischen 2007 und 2013 aus dem Struktur- und Kohäsionsfonds 23 Mrd. Euro und hofft damit die schwächelnden Staatsausgaben wieder auszugleichen. Die zentrale Rolle der Exportwirtschaft könnte jedoch zu einem Problem werden, wenn sich die Konjunktur in Deutschland oder Österreich abschwächt. "Es gibt keine treibende Kraft in der ungarischen Wirtschaft. Einzig das starke Wachstum der Exporte hat das ungarische Wirtschaftswachstum auf niedrigem Niveau stabilisiert", meint die ungarische Ökonomin Orsolya Nyeste von der Erste Bank Ungarn. Die Gewerkschaften sehen sich auch als leidtragende der ungarischen Sparpolitik. "Wir haben vor dem EU-Beitritt gehofft, dass sich die Löhne bald an jene der westeuropäischen Ländern angleichen werden. Aber derzeit beobachten wir einen Abwärtstrend, weil man die Arbeitsplätze im Land halten will", meint Simon Dezsö, Vorsitzender der ungarischen Eisenbahnergewerkschaft VSZ. (Christoph Schlemmer, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 15.2.2008)