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2009. december 29., kedd

4.176 - Welt Online > Wir erleben gerade eine dauerhafte politische Krise. Damit müssen wir leben, weil es unsere eigene Krise ist. Mit ihrer Auflösung können wir nur rechnen, ...

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Gesendet: Dienstag, 29. Dezember 2009 09:48
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Was ist bloß mit den Ungarn los?

29. Dezember 2009, 04:00 Uhr

Welt Online

Aus internationalen Zeitschriften: Der Schriftsteller Péter Nádas kritisiert die Oberschicht seines Landes

Prospect, 1. Januar - Brian Semple hat Cristian Mungius jüngsten Film "Geschichten aus dem Goldenen Zeitalter" gesehen, den Nachfolger des gefeierten Dramas "4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage". Es ist eine Komödie über den Kommunismus. Mungiu erklärt, warum: "Die ersten rumänischen Filme über den Kommunismus, die direkt nach dem Fall der Berliner Mauer gemacht wurden, waren sehr schlecht - die Figuren nichts weiter als Sprachrohre für die Ansichten ihrer Regisseure. Heute machen wir Filme über diese Epoche mit sehr viel weniger Zorn. Der Humor hat den Rumänen geholfen, diese Zeit zu überstehen, also ist Humor, haben wir gedacht, auch eine mögliche Art, darauf zurückzublicken. Aber auch heute noch gibt es eine Menge Rumänen", fügt er hinzu, "die ganz und gar nicht damit einverstanden sind, dass jemand eine Komödie über den Kommunismus dreht."

Népszabadság, 24. Dezember - Steckt Ungarn in einer moralischen Krise?, fragen Peter Nagy N. und Ákos Tóth den Schriftsteller Péter Nádas. Seine Antwort: "Ein Land steckt nicht in einer moralischen Krise, das können nur Personen. Die Moral ist dem Einzelnen überlassen, eine kollektivistische Ausweitung des Moralbegriffs kann ich nicht akzeptieren. Jeder ist für seine eigene Moral verantwortlich. [...] Wir erleben gerade eine dauerhafte politische Krise. Damit müssen wir leben, weil es unsere eigene Krise ist. Mit ihrer Auflösung können wir nur rechnen, wenn eine bedeutende, wohlhabende Schicht entsteht, deren Leben sich stabilisiert und die im Interesse ihres eigenen Wohlergehens der Gesellschaft nichts mehr wegnimmt, sondern zum Geben gezwungen ist: die Wissen und Arbeit geben muss. Von da an wird diese Schicht nicht mehr auf die Destabilisierung der Gesellschaft spekulieren, wie sie es jetzt tut."

The New York Review of Books, 14. Januar - Der Historiker Tony Judt leidet an ALS. Inzwischen kann er praktisch nur noch seinen Hals und seinen Kopf bewegen. Tagsüber gibt es wenigstens Menschen und Abwechslung. Aber dann kommt die Nacht. "Natürlich kann ich Hilfe rufen, wenn ich sie brauche. Da ich keinen Muskel bewegen kann, ausgenommen Hals und Kopf, steht ein Babyfon neben meinem Bett. Es ist immer angeschaltet, so dass ein Ruf von mir Hilfe bringt. In früheren Stadien meiner Krankheit war die Versuchung, Hilfe zu rufen, fast unwiderstehlich: Jeder Muskel hatte das Bedürfnis nach Bewegung, jeder Zentimeter Haut juckte, meine Blase füllte sich auf mysteriöse Weise nachts und verlangte nach Erleichterung. Ganz generell fühlte ich ein verzweifeltes Verlangen nach Licht, Gesellschaft und dem einfachen Komfort zwischenmenschlichen Verkehrs. Inzwischen habe ich gelernt, die meisten Nächte darauf zu verzichten und Trost und Rückhalt in meinen eigenen Gedanken zu finden. Das letztere ist wirklich keine kleine Aufgabe, auch wenn ich selbst das sage."

Le Nouvel Observateur, 24. Dezember - In einem sehr offenen Interview spricht Francis Ford Coppola unter anderem über die Zukunft des Kinos, das er keineswegs am Ende sieht: "Eine DVD hat für mich keinerlei Wert (wie die illegalen Downloads zeigen). Sie ist lediglich ein zirkulierendes Objekt. DVDs sollten kostenlos sein, weil sie nichts weiter sind als maschinell reproduzierte Objekte, Massenprodukte ohne inneren Wert, im Gegensatz zur Aufführung in einem Theater, die immer einzigartig ist. Frühere Komponisten, wie zum Beispiel Mendelssohn, haben die Urheberrechte an ihren Partituren nicht angerührt. Der einzige Weg für sie, ihre Musik zu leben, bestand darin, mit einem Orchester auf Tournee zu gehen und ihre Werke selbst zu dirigieren. Wenn man all diese Elemente berücksichtigt, versteht man, wo die Zukunft des Kinos liegt."

The Economist, 24. Dezember - Ein ausführlicher Artikel schildert die Auswirkungen, die der Welterfolg des Harry-Potter-Franchise auf Buch, Film, Videospiel hatte. Was auch vorkommt, als nichtkommerzielle Fortsetzung der Potter-Welt in der Fan-Fiction: "Das Neu-Erzählen der Potter-Geschichte ist ein beliebtes Freizeitvergnügen. Eine Website, Fiction Alley, hat allein im November 2009 vierzehn weitere Kapitel zur Saga hinzugefügt, dazu kommen viele kürzere Texte. Möchtegern-Rowlings geben der Geschichte eine neue Richtung, indem sie sie sich auf andere Charaktere konzentrieren oder über Jahre schreiben, die in den Büchern nicht vorkommen. Viele stürzen sich auf das Liebesleben der Figuren - vielleicht der größte Schwachpunkt des 'Kanons', wie die Originalserie voller Verehrung genannt wird. Diese Amateurgeschichten, die von den anderen Fans oft scharfsichtiger Kritik unterzogen werden, sind meist durchaus kompetent. Die Schüler sprechen darin, wie Teenager wirklich sprechen. 'Es muss einen Grund geben, warum er mich wie ein Arsch behandelt', stottert Harry einmal. [...] Das klingt doch ganz überzeugend nach Spielplatz."

Élet és Irodalom, 18. Dezember - Die bedeutendste literarische Neuerscheinung 2009 ist für den Literaturkritiker Csaba Károlyi László Darvasis Roman "Virágzabálók" (Blumenfresser). Károlyi sprach mit dem Autor und fragte ihn, ob und wie er beim Schreiben an den Leser denkt: "Zumindest ein Roman sollte sich nicht um den Leser scheren, er soll nicht über seine Reaktionen und Erwartungen nachdenken, er soll nicht abwägen, das wäre dem Metier gegenüber unehrlich. Wer glaubt, einen Roman zu schreiben könne man erlernen, hat zwar Recht, doch hilft ihm das nichts. Nichts. Wer glaubt, einen Roman zu schreiben könne man erlernen, der glaubt auch, dass er den Leser kennt. Einerseits gibt es aber den Leser nicht. Wenn es ihn andererseits gibt, kennen wir ihn nicht. [...] Ein wirklich gutes Buch ist ein extrem egoistisches Wesen, es interessiert sich nur für sich selbst."

The Nation, 11. Januar - Freies Downloaden schön und gut, meint ein eher deprimierter J. Gabriel Boylan, der einige Neuerscheinungen über Anfang und Ende der Popindustrie gelesen hat. Aber verschwindet durch das Internet nicht der Pop selbst? "Es gab eine Zeit, da wurden Popstars gehegt und gepflegt, bis sie groß waren, und die Hitlisten spiegelten den Geschmack einer informierten und demokratischen Hörerschaft wider. Solche Institutionen hatten Vor- und Nachteile, gewiss, aber wie soll ein Popuniversum ohne sie existieren? Wird der Popsong [...] kulturell relevant bleiben, wenn die ehemaligen Tempel der Popmusik, wie die gerade geräumten Virgin Megastores, zu Klamottenläden umfunktioniert werden?"