Von: Google Alerts [mailto:googlealerts-noreply@google.com]
Gesendet: Donnerstag, 6. Mai 2010 18:50
An: jozsef@kutasi.eu
Betreff: "Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2010
Dieser Google Alert wird Ihnen bei Veröffentlichung von Google zur Verfügung gestellt
Regierung Orbán: Zuerst die Fakten, dann die Schritte
06.05.2010 | 17:57 | PETER MARTOS (Die Presse)
Die missliche Wirtschaftslage zwingt zu dringenden Maßnahmen. Das Budgetdefizit betrug Ende April umgerechnet 2,4 Mrd. Euro, fast drei Viertel des fürs ganze Jahr vorgesehenen Defizits.
BUDAPEST/WIEN. Noch ist die nächste ungarische Regierung nicht im Amt, also ist die konkreteste Nachricht über ihre Pläne auch eine „Nicht“-Meldung: Ministerpräsident Viktor Orbán werde nicht in die Präsidentenresidenz übersiedeln, meldete das Tratschblatt „Bors“ („Pfeffer“). Die Kosten werden gepfeffert sein: Das Heim der Orbáns muss nach den Vorstellungen der „Republikwache“ abgesichert werden.
Was die sonstigen Schritte betrifft, so werden die Ungarn noch etwas auf die gut geölte Abstimmungsmaschinerie im Parlament mit Zweidrittelmehrheit für Orbáns Fidesz warten müssen. So dringend wirtschaftliche Maßnahmen auch sein mögen – sie hängen vom ersten Bericht ab, den die „Kommission zur Aufdeckung der Fakten“ unter Leitung des künftigen Staatssekretärs Mihály Varga Ende Mai, Anfang Juni, abliefern will. Varga meinte dieser Tage im MTV-Staatsfernsehen, die Wirtschaft sei in einer viel schlechteren Verfassung, als dies die noch im Amt befindliche sozialistische Regierung bisher dargestellt habe.
Das stimmt nicht in allen Details. Nach den jüngsten Statistiken verzeichnete Ungarn in den ersten zwei Monaten einen Außenhandelsüberschuss von 664 Millionen Euro. Was allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein ist, vergleicht man den Betrag mit dem Budgetdefizit. Dieses betrug Ende April umgerechnet 2,4 Mrd. Euro, fast drei Viertel des fürs ganze Jahr vorgesehenen Defizits. Mit einer winzigen Hoffnung: Im April wuchs es „nur“ um 102 Mio. Euro. Budgetiert war das Dreifache.
Steuersenkung ab 1. Juli?
Die künftige Regierung sei Orbáns Versprechen verpflichtet, mit 1. Juli eine Steuersenkung zu vollziehen, sagte Mihály Varga. Er ließ offen, in welche Richtung die Entlastung gehen könnte. Und auch der künftige Superwirtschaftsminister György Matolcsy wurde am Donnerstag in einem Rundfunkinterview nicht viel konkreter. Im Gegenteil: In den nächsten drei Jahren würden die Steuerlasten um ein Drittel reduziert. Auf den 1. Juli ging er überhaupt nicht ein.
Die konservative Zeitung „Magyar Nemzet“ (Ungarische Nation), der ein gewisses Naheverhältnis zu Orbán nicht abgesprochen werden kann, wusste da schon mehr: Es werde über drei Möglichkeiten diskutiert, will das Blatt aus der Fidesz erfahren haben. Eine davon betreffe die Umgestaltung der persönlichen Einkommensteuer SZJA. Die Regierung könnte kurzerhand die mit Jahresende in Kraft getretene „Superbruttoisierung“ wieder abschaffen. Jetzt werden Löhne und Gehälter, vereinfacht ausgedrückt, mit einem virtuellen Aufschlag versehen. Wer etwa 100.000 Forint (380 Euro) verdient, zahlt für 127.000 Forint Steuer. Auch die Steuersätze könnten sich laut der Zeitung ändern. Heute werden Einkommensteile bis fünf Mio. Forint mit 17 Prozent besteuert; darüber sind 32 Prozent an den Staat abzuführen.
Die Streichung der „Superbruttoisierung“ könnte, so „Magyar Nemzet“ bis zu 250 Mrd. Forint „bei der Bevölkerung belassen“. Dann wird aber der eigene Mut relativiert: Die Entscheidung „hängt davon ab, wie viel Geld sich in der Staatskasse befindet“. Wenn die Steuerreform davon abhängt, dann wird sie wohl ausbleiben...
Notenbankchef unter Beschuss
Zu den konkreten Vorhaben der künftigen Regierung dürfte die Ablöse von Notenbankchef András Simor gehören. Ein Fidesz-Politiker nach dem anderen äußert sich kritisch über den Finanzexperten, der eine Offshore-Firma auf Zypern besessen, diese aber im Herbst 2009 nach eigenem Bekunden verkauft hat. Im Hintergrund der Angriffe könnte die Absicht stehen, die Notenbank stärker an die Kandare zu nehmen. Varga äußerte sich dazu am Mittwochabend vor laufenden TV-Kameras äußerst vorsichtig: Es könne nur eine Wirtschaftspolitik geben, die Ziele der monetären und der Fiskalpolitik sollten sich nicht unterscheiden: „Die monetäre Politik muss von Menschen geführt werden, die dafür würdig sind.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2010)